Parker Pyne ermittelt
muss es wissen. Ich bin keine bösartige Frau, Mr Pyne. Ich gehe mit denen anständig um, die mit mir anständig umgehen. Was einmal abgemacht ist, gilt. Ich habe meine Pflichten erfüllt. Ich habe die Schulden meines Ehemanns bezahlt, und ich habe ihn nicht zu knappgehalten, was Geld angeht.«
Mr Parker Pyne beschlich für einen Augenblick tief empfundenes Mitgefühl für Sir George.
»Und was das Mädchen angeht, so habe ich es eingekleidet, auf Partys gehen lassen und alles Mögliche. Ich erwarte einfach nur ein wenig Dankbarkeit.«
»Dankbarkeit lässt sich nicht auf Befehl herbeizaubern, Lady Grayle.«
»Unsinn!«, sagte Lady Grayle. Sie fuhr fort: »Nun, darum geht es also! Finden Sie für mich die Wahrheit heraus! Wenn ich es erst einmal weiß – «
Er schaute sie neugierig an. »Wenn Sie es erst einmal wissen, Lady Grayle, was dann?«
»Das ist meine Angelegenheit.« Ihre Lippen wurden zu einem schmalen Strich.
Mr Parker Pyne zögerte einen Augenblick und sagte dann: »Ich bitte um Entschuldigung, Lady Grayle, aber ich habe den Eindruck, dass Sie nicht ganz ehrlich zu mir sind.«
»Das ist absurd. Ich habe Ihnen genau gesagt, was Sie für mich herausfinden sollen.«
»Ja, aber nicht den Grund, weshalb?«
Ihre Blicken trafen sich. Sie senkte den Blick zuerst.
»Ich gehe davon aus, dass das augenscheinlich ist.«
»Nein, denn ich bin mir in einem Punkt noch nicht ganz sicher.«
»Und welcher wäre das?«
»Möchten Sie Ihren Verdacht bestätigt oder widerlegt finden?«
»Ich bitte Sie, Mr Pyne.« Die Dame stand auf und zitterte vor Empörung am ganzen Körper.
Mr Parker Pyne nickte sanft mit dem Kopf. »Ja, ja«, sagte er. »Aber das beantwortet nicht meine Fragen, wissen Sie?«
»Oh!« Ihr fehlten anscheinend die Worte. Sie rauschte ab.
Mr Parker Pyne blieb allein zurück und war sehr nachdenklich. Er war so in Gedanken vertieft, dass er merklich zusammenschreckte, als jemand hereinkam und sich ihm gegenüber hinsetzte. Es war Miss MacNaughton.
»Ich nehme an, die anderen sind auch bald zurück«, sagte Mr Parker Pyne.
»Die anderen sind nicht zurück. Ich sagte, ich hätte Kopfschmerzen, und bin allein zurückgekommen.« Sie zögerte. »Wo ist Lady Grayle?«
»Ich nehme an, sie hat sich in ihrer Kabine zur Ruhe gelegt.«
»Oh, dann ist ja alles gut. Ich möchte nicht, dass sie von meiner Rückkehr erfährt.«
»Sie sind also nicht wegen ihr zurückgekehrt, nehme ich an?«
Miss MacNaughton schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin zurückgekommen, um mit Ihnen zu sprechen.«
Mr Parker Pyne war überrascht. Er hätte jederzeit und ohne Weiteres gesagt, dass Miss MacNaughton ausgesprochen gut in der Lage war, ihre Probleme zu lösen, ohne sich den Ratschlag anderer einholen zu müssen. Er schien sich getäuscht zu haben.
»Ich habe Sie beobachtet, seitdem Sie an Bord gekommen sind. Ich halte Sie für einen Menschen mit einem beachtlichen Erfahrungsschatz und gutem Urteilsvermögen. Und ich brauche dringend einen Rat.«
»Aber – ich bitte um Entschuldigung, Miss MacNaughton –, Sie sind nicht der Typ, der sich normalerweise Rat sucht. Ich würde Sie für eine Person halten, die sich lieber auf das eigene Urteil verlässt.«
»Normalerweise schon, aber ich befinde mich gerade in einer ungewöhnlichen Situation.« Sie zögerte einen Augenblick. »Ich spreche in der Regel nicht über meine Patienten. Ich denke aber, dass es in diesem Fall notwendig ist. Mr Pyne, als ich mit Lady Grayle England verließ, war sie ein unkomplizierter Fall. Ehrlich gesagt war sie überhaupt nicht krank. Nun, das stimmt vielleicht nicht ganz. Zu viel Freizeit und zu viel Geld sind die Ursache für einen definitiv pathologischen Zustand. Jeden Tag ein paar Fußböden zu schrubben und fünf oder sechs Kinder großzuziehen hätte aus Lady Grayle eine kerngesunde und wesentlich glücklichere Frau gemacht.«
Mr Parker Pyne nickte zustimmend.
»Als Krankenschwester trifft man auf eine Menge dieser Nervenleiden. Lady Grayle genoss ihre schlechte Gesundheit. Meine Aufgabe war es nicht ihre Leiden zu mindern, sondern so taktvoll wie möglich zu sein – und dabei die Reise, so gut es geht, zu genießen.«
»Sehr vernünftig«, sagte Mr Parker Pyne.
»Aber, Mr Pyne, die Lage ist nicht mehr dieselbe. Die Erkrankung, über die sich Lady Grayle nun beschwert, ist echt und nicht erfunden.«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich habe den Eindruck, dass Lady Grayle vergiftet wird.«
»Seit wann haben Sie diese
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