Parrish Plessis 01 - Nylon Angel
T-Shirt mit dreidimensionalen Punkten darauf; der Anblick machte mich seekrank. Ibis war in einen glitzernden Discoeinteiler gehüllt und hatte eine gigantische Afro-Frisur. Pat steckte in hautenger schwarzer Kleidung mit Goldketten. Ich hatte bereits gehört, dass Viva fest im Griff einer Retro-Modebewegung war; es mit eigenen Augen zu sehen war jedoch eine völlig andere Erfahrung.
»Ich finde, dass sie furchtbar aussieht«, bemerkte Anna Schaum.
»Ich möchte dich nicht beleidigen, Anna, aber was verstehst du schon von Mode, mein Schätzchen?«, sagte Ibis und schaute sie mit großen Augen ernst an.
Schaums Gesicht wurde auf einen Schlag so rot wie die Muttermale darauf, und sie versuchte krampfhaft, nicht auf ihr eigenes braun-graues Kostüm hinabzuschauen. »Ich möchte dich auch nicht beleidigen, Ibis, aber deine Mode ist nicht nur ein wenig merkwürdig. Du leidest doch an totaler Geschmacksverirrung!«
Ihr Streit amüsierte mich.
»Wie wäre es jetzt mit einem Brunch, Loyl-me-Daac?«, mischte sich Pat ein.
»Was ist ein Brunch?«, fragte ich argwöhnisch.
Schaum kicherte.
Daac sah sie irritiert an. »Pat schlägt vor, dass wir etwas essen gehen. In der Öffentlichkeit, einfach einmal das Klima testen.«
»Welches Klima? Wovon sprichst du?« Wer bin ich? Der Idiot, den niemand einweiht?
»Dein Gesicht ist in One-World, Parrish. Erst die Sache mit dem Verhör-Mecha und nun deine spektakuläre Flucht vor den Hubschraubern. Zeig es ihr, Pat.«
Mürrisch startete Pat die Wiederholung der jüngsten Nachrichtensendung auf einem großen Com-Schirm.
Die einzigen Themen waren der Mord an Razz Retribution, das Embargo über den Tert und ich: ein Potpourri aufrührerischer Bilder, die mit einer Geschichte unterlegt waren über ein Verbrechen aus Leidenschaft, das von einer sozial Aussätzigen begangen worden war, die sich in einen Schurken verwandelt hatte.
Eine gewisse Parrish Plessis.
Sie hatten alte Fotos von mir hervorgekramt, auf denen ich mich kaum wiedererkannte: ohne Rastalocken, schiefe Nase und eingebeulte Wangenknochen.
»Verblüffend«, bemerkte Daac.
Ich war nicht ganz sicher, worauf sich seine Bemerkung bezog. Es folgten weitere Schnappschüsse meines Elternhauses und von Kat, wie sie Proball in Eurasien spielte. Dazwischen liefen kurze Einschübe über Rene und Kevin. Kevin hatte vor der Kamera einiges zu erzählen. Aus seinem Mund kamen Wörter wie soziopathisch und nihilistisch; die musste er schon seit Tagen einstudiert haben.
Mir fiel die Kinnlade herunter, und trotz Anna Schaums missbilligendem Blick gelang es mir nicht, sie wieder zu schließen.
»Sie schieben mir den Mord an Razz Retribution in die Schuhe«, keuchte ich. »Mir und Sto.«
Daac sah mich schuldbewusst an. »Du warst bei Sto, als der Verhör-Mecha euch beide aufgespürt hat. Irgendwie müssen die Medien auf den Gedanken gekommen sein, dass du den Mord geplant hast und Stolowski dein Komplize war. Deine Flucht aus dem Tert durch die Wüste scheint ihnen Recht zu geben.«
»Aber ich habe es nicht getan!«, schrie ich entrüstet.
»Es tut mir Leid, Parrish. Ich habe nicht geglaubt, dass so etwas passieren könnte…, dass du darin verwickelt würdest.«
Meine Stimme wurde lauter. »Ich bin nicht darin verwickelt. Die dämlichen Medien versuchen, mich für eine ihrer Enthüllungsgeschichten zu benutzen.« Selbst für mich hörte sich das völlig pathetisch an. So etwas wie eine Enthüllungsgeschichte gab es doch in Wirklichkeit gar nicht. Eine Enthüllungsgeschichte – das bedeutete, es besteht die Möglichkeit, dass man letztlich seiner Lügen überführt wird, und es impliziert, dass die Zuschauer das hinterfragen, was sie sehen.
Aber das taten sie nicht.
Wenn One-World beschloss, dass man der Buhmann war, dann war man es auch. Die Wahrheit war nicht entscheidend.
Ich richtete meine Wut auf Daac. »Hör mir zu. Ich habe einen Job zu erledigen. Wie zum Henker soll ich das machen, wenn mir die ganze Netzwelt am Rockzipfel hängt?«
Er zuckte mit den Schultern – eine beiläufige Geste, die über seine Gerissenheit hinwegtäuschte. »Warum erzählst du mir nichts über deinen Auftrag? Vielleicht kann ich dir helfen.«
»Warum solltest du mir helfen?«
»Lass uns einfach sagen, es könnte für uns beide von Vorteil sein.«
Er hatte mich in die Ecke gedrängt. Ich würde seine Hilfe akzeptieren oder mich von meiner Ausrüstung verabschieden müssen. Vielleicht hatte er noch immer nicht verstanden, dass ich dazu
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