Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Parrish Plessis 01 - Nylon Angel

Parrish Plessis 01 - Nylon Angel

Titel: Parrish Plessis 01 - Nylon Angel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
Vom Netzwerk:
beantragen konnte ich auch nicht. Ich würde schlicht verhungern. Die Super-City war für mich kein Zufluchtsort mehr. Während ich durch die weiten, belaubten Straßen ging und wie alle anderen den Leuchtstreifen folgte, die den Weg markierten, gab ich mich einfach meinen Tagträumen hin.
    Viva war ein auserlesenes, ordentliches und vor allem teures Beispiel für menschliche Gemeinschaften. Man brauchte ein Mindesteinkommen von über dreißig Millionen Kredits per Annum, um dort zu leben – und dann gehörte man noch zu den Ärmeren in dieser Stadt. Reisende und Besucher waren willkommen, aber temporäres Wohnen stand unter strenger Aufsicht, und Hausbesetzung war ein Kapitalverbrechen, genauso wie Landstreicherei, Obdachlosigkeit, Drogenhandel – aber nur mit bestimmten Arten – und Herumlungern. Viva war eine sichere Stadt, wenn man ein aufrechter Bürger war… und tödlich, wenn nicht.
    Ich war in der Vorstadt geboren worden, in einem der ländlicheren Gebiete der Superstadt; ein Ort, an dem man sein verdientes Geld nie zu Gesicht bekam und wo die Bank für die Schulausbildung sorgte, die täglichen Lebenshaltungskosten deckte und die Steuern bezahlte. In der Vorstadt war man nicht viel besser dran als eine Drohne in einem Bienenstock. Wer ein sicheres Leben wollte, war auf Gedeih und Verderb den Bankern von Viva und den Medien ausgeliefert – und seine Abgaben sollte er auch möglichst regelmäßig entrichten.
    Kevin, mein Stiefvater, hatte versucht, mich von romantischen Stimmungen abhängig zu machen, wie er es auch mit Rene getan hatte; immer wenn ich schlief oder betrunken war, klinkte er mich einfach in eine Neuroendokrine Simulation ein. Aber irgendetwas in meinem tiefsten Inneren hatte der Versuchung widerstanden. Vielleicht war ich von Natur aus pragmatisch, oder ich hatte einfach zu klar vor Augen gehabt, was mit Rene geschehen war. Als Kevin merkte, das diese Methode bei mir keinen Erfolg hatte, beschloss er, einen etwas direkteren Weg zu gehen. Er versuchte, mich vor den Augen meiner Mutter zu vergewaltigen, während sie vollgestopft mit Glücksgefühlen einfach dalag.
    Ich verschwand, so schnell ich konnte; sonst hätte ich ihn umgebracht.
    Leider hatte er vorher noch die Gelegenheit, mein Gesicht zu entstellen.
    Ich redete mir immer wieder ein, dass mich die Überbleibsel der Verletzungen nicht kümmerten; doch in Wahrheit wollte ich gar nicht, dass sie verschwanden. Ich wollte niemals vergessen.
    Der Tertiäre Sektor – der Tert – war so etwas wie der Ort meiner Wiedergeburt gewesen. Hier wurde nicht wochenlang im Voraus geplant, nicht jeder Kredit nachgerechnet; hier gab es keinen schmierigen, gierigen Kevin. Im Tert nannte man Junkies noch Junkies – und nicht N-E-Bedürftige.
    Die Leute im Tert besaßen eine Ehrlichkeit, die man nur bei Menschen fand, die nichts zu verlieren hatten.
    Aber es war die schmuddelige Seite des Tert, die mich unweigerlich in ihren Bann zog. Ich glaubte, dass ein Ort wie dieser Freiheit bedeutete… und Alternativen.
    Die Wirklichkeit entsprach dem nicht einmal annähernd. Als Jamon auftauchte, sanken meine Alternativen wieder auf null.
    Nun konnte ich nicht mehr in die Vorstadt zurückkehren. Eine Außenseiterin wie mich würde man in Quarantäne stecken und versuchen zu rehabilitieren. Wie schlimm die Dinge auch werden würden, dort konnte ich nicht mehr leben.
    Wenn ich ein auch nur halbwegs ordentliches Leben im Tert führen wollte, musste ich Jamon aus diesem Leben entfernen. Ich hatte in den vergangenen Jahren eine Menge gelernt, und jetzt erfuhr ich, was zu tun ich im Stande war, wenn es hart auf hart kam.
    Vor einigen Jahren wäre ich auf jemanden wie Daac reingefallen und hätte mich andächtig in die Reihe seiner Verehrer eingereiht. Heute wusste ich, dass ich selbst mein bester Rückhalt war, der einzige Mensch, auf den ich mich verlassen konnte.
     
    An einer belebten Straße fand ich ein Café mit diversen Ein- und Ausgängen und setzte mich in die Nähe eines solchen. Dann bestellte ich ein Glas Mineralwasser und studierte aufmerksam den Stadtplan auf der Rückseite der Speisekarte.
    Ich bezahlte die Kellnerin mit einigen gefälschten ID-Kredits, einer kleinen Gefälligkeit, die ich von einem Boxstall in Plastique erhalten hatte. Im Gegenzug hatte ich dort für ein halbes Jahr Unterricht in Hapkido und Messerwurf gegeben.
    Die Adresse, die mir Lang gegeben hatte, befand sich im inneren Kreis der Stadt, wo die meisten Straßen streng bewacht

Weitere Kostenlose Bücher