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Parrish Plessis 01 - Nylon Angel

Parrish Plessis 01 - Nylon Angel

Titel: Parrish Plessis 01 - Nylon Angel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
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dem Ibis mich versorgt hatte. Jetzt gab ich es Gwynn. »Hier, alter Mann. Ich danke dir. Vielleicht werde ich dich eines Tages wieder besuchen kommen.«
    Er lächelte. Zumindest sah es für mich danach aus.
    Ich drehte mich noch einmal zu ihm um, als ich nach unten in die Dunkelheit verschwand; doch er schob bereits die Betonplatte wieder über die Öffnung. Nach wenigen Sekunden fand ich mich in absoluter Finsternis wieder.
     
    Für Menschen von meiner Körpergröße sind enge Räume sehr unbehaglich. Zum Glück waren die ersten Klicks von Gwynns Kanalsystem groß genug, dass ich halb gebückt hindurch gehen konnte. Doch selbst das verursachte bereits nach kurzer Zeit stechende Schmerzen in meinen Beinen und meinem Rücken. Ich wechselte in einen alternierenden Rhythmus zwischen Entengang und einer gebückten Haltung. Auf dem Boden herumzukrabbeln, kam für mich nicht in Frage.
    Ich hatte meine Jacke eng um mich geschlossen und eine Kapuze übergezogen, damit meine Haut auf keinen Fall mit dem verseuchten Boden in Kontakt kommen konnte.
    Mir sträubten sich die Nackenhaare, als ich meine Sinne schärfte, um Kanratten zu orten. Inzwischen verfluchte ich mich dafür, dass ich Gwynn mein ganzes Essen gegeben hatte.
    Ich versuchte herauszufinden, wo ich mich ungefähr befand. Die Röhren gehörten offenbar zu einem alten Teil der Kanalisation, der nicht länger in Betrieb war. An einigen Stellen ragten Baumwurzeln wie riesige Krallen durch die Außenhaut der Leitungen. Andere Sektionen waren hingegen noch völlig intakt – von der dichten Schlammschicht und den Pilzkulturen, die auf den Rohren wucherten, einmal abgesehen. Einige der Pilze waren sicherlich essbar, aber ich wollte mein Glück nicht allzu sehr strapazieren; zumindest nicht, solange es nicht absolut notwendig war.
    Ich fragte mich, wie viele Leute von diesem Kanalsystem wussten und es benutzten. Die diversen Möglichkeiten, unbemerkt in den Tert hinein- und wieder herauszuschlüpfen, überraschten mich jedes Mal aufs Neue.
    In regelmäßigen Abständen kam ich an Abzweigungen vorbei; es waren so viele, dass ich bald aufhörte, sie zu zählen. Die große Kreuzung, von der Gwynn erzählt hatte, fand ich aber erst, als meine Beinmuskeln und mein Magen bereits von ständigen Krämpfen geplagt wurden.
    Erschöpft sank ich auf den Boden, um mich kurz auszuruhen. Ein kurzer Griff in all meine Taschen förderte einen Schokoriegel zutage, den mir Ibis zugesteckt haben musste. Großartig!
    In Gedanken formte ich ein plastisches Bild meiner Freude und sandte es Ibis mitsamt einer kräftigen Umarmung.
    Es war schon ein wenig eigenartig. In Ibis hatte ich jemanden gefunden, der einem echten Freund schon wirklich nahe kam. Es war das erste Mal, dass ich so jemanden kennen gelernt hatte seit… nun ja, seit ich denken konnte. Wenn man Kat nicht mitzählte, natürlich.
    Kat verdiente sich irgendwo in Eurasien eine goldene Nase mit dem Proballspielen. Leben und Arbeiten bis zum Exzess. Ich machte ihr keinen Vorwurf daraus, dass sie diesen Weg gewählt hatte. Ein kurzes, aber erfülltes Leben. Ich hatte zum letzten Mal geweint, als sie mich verlassen hatte. Es war ihre Entscheidung gewesen.
    Zumindest hatte sie die Wahl gehabt!
    Gwynns traurige Geschichte verursachte mir allerdings Übelkeit. Sollte es mir jemals gelingen, meine eigenen Probleme zu lösen und dabei nicht im Gefängnis zu landen, würde ich wiederkommen und mich um ihn kümmern. Vielleicht konnte ich ihm ja helfen… und vielleicht würde ich ihm auch diesen Trunk für immer vom Hals schaffen können.
    Ich tat es schon wieder!
    Wenn ich nicht aufpasste, würde ich bald wie Daac klingen – immer darüber besorgt, wer meine Hilfe benötigte und wem ich sie zuteil werden lassen konnte.
    Ich massierte noch einen Moment lang meine Schultern, dann schob ich mich langsam in die linke Abzweigung der Kreuzung.
    Die erste Kanratte tauchte schon bald danach auf. In der Dunkelheit sieht man sie nicht wirklich, vielmehr spürt man ihre Anwesenheit, und mit meinen Geruchsverstärkern konnte ich sie auch riechen. Schon der erste Hauch des grenzenlosen Gestanks, der von ihrem gemischten Hunde- und Rattenfell ausging, ließ mich nach meiner Glock greifen, die locker in ihrem Holster hing.
    Es war sicherlich recht hilfreich, wenn man im Dunkeln gut riechen konnte, aber in jenem Moment wäre es mir lieber gewesen, wenn ich auch nur annähernd so gut hätte sehen können.
    Doch welcher Anblick hätte sich mir überhaupt

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