Parrish Plessis 02 - Code Noir
schien ein vernünftiger Junge zu sein.«
Ich verschluckte mich. »Bitte, sprich nicht über ihn, Ibis.«
Die Worte verletzten ihn, und er wechselte rasch das Thema. »Ich werde bald nach Hause gehen. Pat ist ziemlich nervös.«
Ich nickte verständnisvoll. »Ich hatte nicht erwartet, dich noch hier anzutreffen. Ich bin dir sehr dankbar. Es ist nur so… ich muss mich um einige Angelegenheiten kümmern, die keinen weiteren Aufschub dulden. Andernfalls…«
»Was?«
Ich war versucht, ihm die Wahrheit anzuvertrauen. Doch es wäre nicht fair gewesen, ihn mit diesem Wissen zu belasten.
»Nichts. Ich werde dich für deinen Dienst fürstlich entlohnen, Ibis.«
»Du hast doch wohl hoffentlich nicht gedacht, dass ich das alles nur des Geldes wegen tue?« Ibis klang ein wenig entrüstet, als er die Tür aufschloss.
Im Inneren der Baracken hatte ein kleines Wunder stattgefunden. Alles blitzte vor Sauberkeit. Die San-Einheit bot ausreichend Platz für eine große Gruppe; in den Schlafräumen standen weiche Betten; der Hauptraum diente als Speisesaal – auf einer Seite standen lange Tische mit Spielen und Simulationen. Ibis hatte sogar einen ausrangierten Billardtisch aufgetrieben und ihn in eine Ecke des Saals gestellt.
Ibis sah belustigt mit an, wie mir die Kinnlade herunterklappte.
»Das war Teeces Idee. Er hat gewisse Verbindungen und hat ein paar Gefälligkeiten eingefordert. Das ist alles altes Zeug; wir haben die Systeme aus Schrott und gebrauchten Teilen zusammengeschraubt, aber es funktioniert alles. Teece will den Robokids beibringen, wie sie die Sachen selbst reparieren können. Wenn du damit einverstanden bist – und die Kinder es ebenfalls wollen –, könnten wir sogar einen regelmäßigen Unterricht für sie organisieren. Der Pooltisch ist aus einem Antiquitätenladen; sie haben das Ding einfach nicht los bekommen. Als sich herumgesprochen hat, was wir hier planen, haben wir von allen Seiten Hilfe bekommen.«
»Von wem?«, fragte ich verwundert.
»Von den Leuten hier.«
Ich war tief beeindruckt von dem, was sie in so kurzer Zeit erreicht hatten, doch ich konnte meine Freude nicht mit Ibis teilen. Meine Gefühle waren wie eine Fata-Morgana – sie existierten, aber wenn ich nach ihnen griff, verschwanden sie.
»Großartig!«, war alles, was ich herausbrachte.
Ibis sah mich irritiert an. »Bist du sicher?«
Ich legte die Hand auf seine Schulter. »Ja, absolut. Besser kann ich meine Gefühle im Moment nicht ausdrücken. Das hier ist viel mehr, als ich mir je erhofft habe.«
Die Zweifel verschwanden aus seinem Gesicht.
Ibis sah erschöpft aus. Seine Haut war in wenigen Tagen alt und grau geworden. Ich vermutete, dass er mehr Arbeit geleistet hatte, als die Bots, die Larry Hein abgestellt hatte.
»Die Kinder sollen morgen hier einziehen«, sagte ich. »Larry soll Link Bescheid geben. Ich habe noch ein paar Überraschungen.«
»Überraschungen?«
»Ja, Laborraten aus Dis. Aber jetzt ist nicht die Zeit dafür, ich erzähle dir später mehr darüber.«
»Na klar. Und dann wirst du mir sicherlich erklären, dass du von nun an nur noch Röcke trägst«, sagte er trocken.
Ich versuchte, ein warmes Lächeln aufzusetzen, doch es gelang mir nicht.
»Ich werde jetzt mit Teece reden. Wir treffen uns dann im Heins wieder.«
Ibis nickte kurz und verschwand dann eilig, als könne er nicht schnell genug von hier wegkommen.
Teece erwartete mich in meinem Arbeitszimmer, die Arme vor der Brust verschränkt. Auf dem Computerschirm flimmerte Jamons Buchhaltungsprogramm und zählte Pixel-Kredits.
Ich setzte mich auf die Couch und legte die Füße hoch.
»Also, was gibt’s, Teece?«
»Du schwimmst im Geld, Parrish. Der meiste Umsatz kommt aus Drogengeschäften, obwohl seit Jamons Tod die Zahlungen rückgängig…«
»Schon gut. Was noch?«
»Du schuldest The Cure einen Anteil am Sensil-Handel, und die Tek-Händler werden ebenfalls langsam nervös. Außerdem hinken die meisten Bars mit Schutzgeldzahlungen hinterher.«
»Gib den Leuten ihr Geld, und sag ihnen, dass wir mit ihnen fertig sind!«
Teece riss die Augen auf. »Das kannst du nicht tun!«
»Doch, das kann ich.«
»Wenn du den Sensil-Handel aufgibst, wird ihn jemand anderes übernehmen. Du ruinierst dich, ohne damit etwas zu ändern.«
Ich seufzte. Er hatte Recht. Roo hatte das Gleiche gesagt und ebenfalls Recht behalten. Ich brauchte das Geld, um für die Straßenkinder zu sorgen.
»In Ordnung. Wir machen weiter wie bisher«, gab ich nach.
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