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Parrish Plessis 02 - Code Noir

Parrish Plessis 02 - Code Noir

Titel: Parrish Plessis 02 - Code Noir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
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spiritistisches Ritual zu vertreiben. Ihre Gehirne waren zerplatzt wie reife Wassermelonen. Der Tod von Vayu hatte mich am meisten getroffen. Sie war eine starke Frau gewesen, eine gute Frau. Sie war gestorben, weil ich sie zu diesem Versuch überredet hatte. Ihr Tod war sinnlos gewesen; sie hatte mir nicht helfen können.
    Und nun suchte ich nach den anderen Schamanen des Tert. Was würde geschehen, wenn ich sie fand? In den dunklen Tiefen meines Unterbewusstseins erklang ein höhnisches Lachen.
    Ich zwang mich weiterzugehen. Wir ließen das Gebäude und damit mein Territorium hinter uns.
     
    Roo und ich kamen schnell voran. Gegen Abend atmeten wir bereits den Gestank des Mueno-Gebiets ein. Die Villen waren mit bunten Tüchern und Fahnen geschmückt, und aus den offenen Fenstern drang der Geruch nach frischem Essen zu uns herüber: gebratener Fisch, Klöße, Shoarma, Bohnen und Gewürze. Aus illegalen Satellitenanlagen dröhnten laute Rhythmen in den Nachthimmel; Latino-Musik konkurrierte mit einheimischen Tert-Liedern und antikem Rap.
    Heutzutage waren der Hass und die Wut größtenteils aus der Musik verschwunden. Die Menschen hier liebten beruhigende Klänge – die wohl das völlige Gegenteil der Welt darstellten, in der sie lebten.
    Aus einem inneren Gefühl heraus wählte ich den kürzesten Weg zu Pas, direkt durch Villas Rosa hindurch, die Slums des Slag, die Slums der Slums. Vor einiger Zeit hatte ich dort ein Kind kennen gelernt, das ich in mein Herz geschlossen hatte: ein Mädchen ohne Namen und ohne Arme. Dass ein Kind ohne eigenen Namen aufwachsen musste, hatte mich wohl am meisten berührt. Das Mädchen hatte mir geholfen und als Lohn für ihre Mühen war sie von einem Verhör-Mecha entführt worden, während ich nur tatenlos hatte zusehen können. Durch einen dieser merkwürdigen Zufälle, von denen das Leben unzählige bereithielt, wurde das Mädchen von einem der wohlhabenden Blaublütler in Vivacity adoptiert – von niemand geringerem, als König Ban höchstpersönlich. Es war ein öffentlichkeitswirksamer Schachzug; die Medien stürzten sich natürlich sofort auf diese Geschichte. Dennoch verlieh mir das Wissen Hoffnung, dass jemand, der mir geholfen hatte, ausnahmsweise ein besseres Leben gefunden hatte.
    Ich dachte häufig an dieses Mädchen.
    Ibis versuchte eine ganze Weile, etwas über sie in Erfahrung zu bringen, doch er trug nur einige sehr allgemeine Informationen zusammen: Sie lebte und war zur Galionsfigur eines neuen Prothesen-Herstellers geworden.
    Als ich sie damals hier in Villas Rosa getroffen hatte, hatte sie unter einer Eisentreppe gehaust, sich von den Abfällen der Muenos ernährt und versucht, nicht jeden Tag vergewaltigt zu werden.
    Ich hatte das Mädchen Bras genannt.
    Langsam senkte sich die Dämmerung über das Mueno-Gebiet. Wenn Dis das dunkle Herz des Tert war, dann war Villas Rosa der stinkende Darm.
    »Bist du schon einmal hier gewesen?«, fragte ich Roo.
    Im Schein der Neonlampen sah er mich mit großen, wachsamen Augen an. Wenn die Dunkelheit hereinbrach, leerten sich die Straßen unaufhaltsam. Gewöhnlich würde es nun nicht mehr lange dauern, bis sich die ersten Kanratten zeigten.
    »Nein. Ich kenne nur Torley und Shadouville. Und einmal musste ich für Larry eine Sanktion in den Randgebieten überbringen.«
    Eine Sanktion – das war im Tert ein anderes Wort für eine sehr wichtige Nachricht, eine Nachricht, die man aus Sicherheitsgründen nicht über das Com-System verbreitete, sondern die nur von Angesicht zu Angesicht übermittelt wurde.
    »Wo war das?«, wollte ich neugierig wissen.
    »Am Rande des Ödlands. Gegenüber von Fishertown.«
    Ich blieb auf der Stelle stehen. Das Ödland? Dort, wo ich mit Teece gelebt hatte?
    »Für wen war die Nachricht bestimmt?«
    Roo setzte einen nichts sagenden Blick auf. »Kann mich nicht erinnern. Auf jeden Fall hat es dort draußen bestialisch gestunken.«
    Ich schluckte meine Paranoia wie eine zu heiße Mahlzeit herunter.
    »Ja«, sagte ich mit schwacher Stimme. »Dort draußen wurden nach dem Krieg die Toten verbrannt. Zumindest hat das den ständigen Fischgeruch übertüncht.« Und ihn durch den Gestank von verbranntem Menschenfleisch ersetzt.
    Wir gingen weiter, doch ich fühlte mich noch immer unwohl.
    Wem konnte ich vertrauen? Ich meine, wirklich vertrauen?
    Unwillkürlich musste ich wieder an Daac denken. Sein Gebiet befand sich nur zwanzig Klicks entfernt im Osten. Die Nähe zu ihm machte mich nervös.
    Die

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