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Parrish Plessis 02 - Code Noir

Parrish Plessis 02 - Code Noir

Titel: Parrish Plessis 02 - Code Noir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
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ein Baum aus einem Dach heraus. Die Türen und Fenster verlassener Häuser waren mit Brettern vernagelt, aus denen rostige Eisennägel herauslugten. Die Straßen, aus deren Pflaster in regelmäßigem Abstand leuchtende Stäbe in die Höhe ragten, schienen heute einen anderen Lauf zu nehmen als früher. Oft endeten die Wege vor einer Wand, ganz so, als hätte jemand die Gassen oder die Gebäude willkürlich an einen anderen Ort versetzt.
    Obwohl ich mich mitten im Tert befand, schien ich mich in einer völlig fremden Welt zu bewegen.
    So schmutzig und verkommen die äußeren Tert-Gebiete auch sein mochten, dort lebten ganze Familien – lärmende, abgestumpfte Menschenmassen, die sich auf die ein oder andere Weise miteinander arrangierten.
    In der Einöde, durch die ich mich bewegte, gab es keine Essensgerüche, keinen Familienstreit, keine weinenden Kinder und keinen obszönen Straßensex. Doch auch dieses Mal schien es so, als würde irgendetwas meine Gedanken lesen und sie prompt widerlegen. Ohne dass es vorher die geringsten Anzeichen für ihre Anwesenheit gegeben hätte, erschienen plötzlich Menschen auf den Straßen. Sie hatten sich versteckt und beobachteten mich nun misstrauisch. Aber irgendetwas stimmte nicht mit ihnen.
    Die meisten von ihnen schienen gestört, ja, geisteskrank zu sein und wirkten irgendwie deformiert. Einige führten lachend Selbstgespräche; andere standen einfach nur ruhig da und starrten mit irrem Blick vor sich hin. Ich befand mich in jeder Beziehung in einem absolut gestörten Gebiet; es kam mir beinahe wie ein natürliches Irrenhaus vor.
    Ich versuchte, die Verrückten zu ignorieren und näherte mich einem der leuchtenden Stäbe, die aus dem Boden ragten. Die Säule bestand aus Fiberglas und schien tief in der Erde verwurzelt zu sein. In ihrem Inneren pulsierte ein schwaches Licht. Andere Säulen in der Nähe ragten einfach nur wie dunkle Scherben in die Luft. Ich vermutete, dass die Stäbe Überreste eines alten Kommunikationssystems waren, das sich unterhalb der Villen befand. Aus irgendeinem Grund hatte sich das schützende Plasmagebilde um diese Anlage aufgelöst, und die Stäbe waren wie Stalagmiten an die Oberfläche gewachsen.
    Fasziniert berührte ich das Fiberglas mit einem Finger. Plötzlich spürte ich einen Stich, und im gleichen Moment verteilte sich mein Blut wie ein feines Netz auf dem Glas. Es floss den Stab entlang, der mit einem Mal hell zu leuchten begann.
    Mein Puls raste. Ich zog das Messer und versuchte, meinen Finger zu befreien, der wie festgeklebt an dem Glas haftete. Erst, als ich mir mit zusammengebissenen Zähnen ins eigene Fleisch schnitt, kam ich frei, und der Stab erlosch wieder.
    Nun bemerkte ich zum ersten Mal, dass sich die Menschen um mich herum versammelt hatten. Rasch versteckte ich den blutenden Finger hinter meinem Rücken und schob mich an den Leuten vorbei, ohne ihnen in die Augen zu sehen und ihre merkwürdigen Gesichter und Körper zu betrachten. Sie erinnerten mich an die Robokids; nur waren sie viel unheimlicher, wie Halbwesen, die lebendes Fleisch auf ihren toten Knochen mit sich herumtrugen.
    Oder stimmte mit mir selbst etwas nicht? Hatte mich der Eskaalim bereits so weit meiner Menschlichkeit beraubt, dass ich die Realität nicht mehr erkannte? Verlor ich allmählich den Verstand? Ich hatte bei Wombat geschworen, mich zu töten, bevor das geschah…
    In den Scherben der zerbrochenen Fenster sah ich im Vorbeigehen mein verzerrtes Spiegelbild: kurze Haare, schiefe Nase, dünner Mund und gebrochene Wangenknochen. Meine Augen waren starr vor Angst – doch das ließ mich real und bei Verstand erscheinen.
    Ich betrachtete noch immer halb paranoid mein Spiegelbild, als mich ein Stein am Rücken traf. Ich fuhr sofort herum, sah aber nur in die ausdruckslosen Gesichter der Verrückten; es war unmöglich, den Angreifer auszumachen. Kaum hatte ich mich wieder zu der Fensterscheibe umgedreht, da traf mich ein weiterer Stein. Ich versuchte, meine Rachegelüste zu beruhigen und ignorierte das leise Kichern hinter meinem Rücken.
    Vergiss dein Spiegelbild, Parrish! Sieh zu, dass du hier verschwindest!
    Ich rannte los. Die Menschen flogen schemenhaft an mir vorbei. Ich spürte, wie sie mit ihren Hände nach mir griffen, mich intim berührten.
    Die Luftfeuchtigkeit schien mit jedem meiner Schritte zu steigen, als wäre es binnen weniger Stunden Sommer geworden. Mit jedem Herzschlag klarten sich meine Gedanken auf. Trotzdem ließ ich meine Hände auf den

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