Parrish Plessis 02 - Code Noir
verändert. Im fahlen Schein der Leuchtstoffröhren wirkten ihre Gesichtszüge wie eine Maske. Sie sah abgemergelt aus; ihre Wangenknochen standen deutlich hervor, und ihr gewöhnlich feines blondes Haar klebte fettig an ihrem Kopf. Ihre Körperhaltung war die eines Menschen, der lieber tot als lebendig sein wollte – gebeugt und gebrochen.
Anna stellte das Wasser ab und sank erschöpft auf die Pritsche neben dem Waschbecken. Neben der Liege standen ein Tisch mit einer Mikrowelle, auf der sich gebrauchte Styroporschalen türmten, sowie ein Kanister mit Trinkwasser. Offenbar hatte sie in der letzten Zeit keine großen Ausflüge unternommen.
Daacs Muskeln spannten sich vor Wut. Ich legte meine Hand auf seine Schulter, um ihn zurückzuhalten. Dann spähte ich wieder durch die Türöffnung. Als mein Blick auf eine Reihe von Körpern fiel, die aufgebart auf einem Tisch lagen, krallte sich meine Hand in Daacs Schulter.
Die Schamanen!
Ich war für eine Sekunde abgelenkt und bemerkte nicht, wie sich Daac plötzlich in Bewegung setzte. Mit ein paar schnellen Schritten erreichte er die vordere Söldnerin und zog ihr die Eisenstange über den Kopf; dann drehte er die Stange um und rammte der Frau die Spitze in die Brust.
Die Söldnerin verzerrte zwar das Gesicht vor Schmerzen, doch ansonsten schien der Angriff sie nicht weiter zu beeindrucken; sie griff nach dem Holster an ihrem Gürtel und zog einen ausklappbaren Speer hervor.
Scheiße.
Ich war direkt hinter Loyl und ließ den Würgedraht durch die Luft sausen. Der scharfe Draht schnitt tief bis auf die Knochen in die Hand der Frau, noch bevor sie den Speer überhaupt auf Daac richten konnte.
Loyl stemmte den Fuß gegen ihre Schultern und zog die Stange aus ihrer Brust heraus; dann trieb er das Eisen in ihren vor Staunen offenen Mund. Die Stange verfehlte das Rückgrat und trat an ihrem Hinterkopf wieder aus.
Nein Loyl, nicht…
Er konnte sich gerade noch abwenden, doch mir spritzen Blut und Gehirnmasse direkt ins Gesicht; augenblicklich breitete sich in mir diese wohlbekannte Übelkeit aus, die die Welt vor meinen Augen verschwimmen ließ.
Ahhh, endlich Blut…
Der andere Söldner stieß einen wütenden Kampfschrei aus. Ich schüttelte benommen den Kopf. Ich sah gerade noch rechtzeitig, wie er einen Speer nach mir schleuderte. Ich duckte mich, doch Daac hatte keine Chance; der Speer traf ihn in die Seite.
Anna Schaum stöhnte laut.
Ich zog ein Wurfmesser und zielte auf den Söldner. Die Klinge bohrte sich tief in seine Schulter. Er nahm davon keine Notiz und kam auf mich zu. Ich traute meinen Augen nicht, als sich sein Äußeres mitten in der Bewegung veränderte. Er war ein Formwandler, genau wie Jamon und Io Lang; aber die Gestalt, die er annahm…, mein Gott… dieser Mann war kein Mensch.
Vor mir baute sich ein Monster auf. Unbeschreiblich.
Grausam.
Instinktiv griff ich nach dem Cabal-Dolch und stürzte mich auf das Biest. Der Aufprall erschütterte meinen Körper bis auf die Knochen. Im Fallen drehte ich mich zur Seite und rammte dem Monster den Dolch in den Unterleib, genau dahin, wo sich die Adrenalindrüsen befanden. Das Ungeheuer schwankte und fiel dann auf einen der Schamanen. Sein lebloser Körper nahm wieder menschliche Gestalt an.
Es gibt sehr viele von uns. Wir verbreiten uns ständig… Wir werden immer mehr… Die Saat geht auf…
Für einen Moment herrschte absolute Stille. Ich sagte nichts. Dann stöhnte Loyl.
Schaum eilte zu ihm. Sie wischte das Blut weg, verband rasch die Wunde und stopfte ihn mit Schmerzmitteln voll, wobei sie sein Gesicht mit Küssen übersäte. »Ich wusste es. Ich wusste, dass du kommen und mich retten würdest«, flüsterte sie aufgeregt.
Und? Würde sie es sagen? Danke, Parrish? Nein.
Ich stand langsam auf und kehrte den beiden, erbost über die freudige Wiedervereinigung, den Rücken zu. Nachdem ich den toten Körper des Söldners von dem Schamanen heruntergerollt hatte, sammelte ich mein Messer ein und säuberte die Klinge. Meine Hände zitterten noch immer. Der Schamane war eine Frau, und aus ihrem Kopf ragte ein Gewebenetz, das mit einem Apparat neben ihr verbunden war. Bei näherem Hinsehen bemerkte ich, dass ihre Augen unter den geschlossenen Lidern ständig hin und her rollten. Aus ihrem verzerrten Mund drang ein leises Stöhnen. Dieses Gerät, an das sie angeschlossen war, kontrollierte entweder ihre Gedanken, oder es veränderte etwas an ihrem Gehirn, während sie schlief. In meinem Kopf sammelte sich
Weitere Kostenlose Bücher