Partials 1 – Aufbruch
Nachmittag haben sie es
verabschiedet. Oder wohl eher gestern Nachmittag. Es ist doch schon nach
Mitternacht, oder?«
»Ich kann’s nicht glauben.« Xochi starrte zu Boden. »Ich kann’s
einfach nicht glauben.«
Isolde trank einen Schluck. »Es spielt keine Rolle, ob du es glaubst
oder nicht. Deine Regierung gibt dir zwei Monate Zeit, schwanger zu werden.«
Ihr Gesicht war gerötet und verquollen. Sie hob die Flasche. »Prost!«
»Ja, besauf dich schnell noch mal«, sagte Xochi. »Bald wirst du für
zwei trinken.«
Kira setzte sich schweigend auf das Sofa und beobachtete die
Freundinnen, die sich beklagten und über die Motive des Senats nachdachten.
Oberflächlich betrachtet war es eine Reaktion auf die Forderung der Stimme . Der Senat tat genau das Gegenteil dessen, was die
Gegner verlangten. Alles andere hätte man als Zugeständnis auffassen können. Im
Grunde wusste Kira jedoch, dass es vor allem um Samm ging. Dies war einer der
Notfallpläne, die Hobb erwähnt hatte. Statt den Druck etwas zurückzunehmen, wie
Kira vorgeschlagen hatte, zog der Senat die Zügel an und verschärfte die
Kontrolle. Den Leuten, die an das Zukunftsgesetz glaubten, mochte dies als
Ausdruck von Stärke und Solidarität erscheinen, aber was dachten alle anderen?
Letztendlich war es so, als hätte der Senat einen Bürgerkrieg angezettelt.
Das Schlimmste war die Geheimhaltung. Mkele hatte natürlich recht.
Wenn jetzt, da die Spannungen sowieso schon so stark waren, die Wahrheit über
Samm durchsickerte, gäbe es einen schrecklichen Aufstand, und Kira befände sich
mittendrin. Sie wagte es nicht, auch nur ein Wort über Samm, über die Tests und
alles andere zu verlieren. Es gab nichts Wichtigeres für sie, als hart zu
arbeiten und eine Therapie für das Virus zu finden, ehe noch jemand starb.
Nach zwei vollen Tagen war sie ihrem Ziel jedoch kaum näher
gekommen. Sie wusste, wie Samm dachte und sich mitteilte, wie er atmete, aß und
sich bewegte, hatte aber nach wie vor nicht die leiseste Ahnung, warum er immun
war. Sie war verwirrt, und weil sie mit niemandem darüber sprechen konnte,
blieb sie mit ihrer Verwirrung allein.
Sie fühlte sich völlig überfordert.
Isolde nahm einen Schluck aus der Flasche. »Trinken während der
Schwangerschaft wird mit Kerker und vollständiger Überwachung bestraft«, sagte
sie. »Ich muss es genießen, solange es noch möglich ist.«
»Dein Baby ist wichtiger als deine Rechte«, warf Xochi ein. »Was den
Senat betrifft, so bist du nur eine Gebärmaschine auf zwei Beinen.«
»Werd endlich erwachsen!«, wies Kira Xochi mürrisch zurecht. Gleich
darauf bekam sie Schuldgefühle. Eigentlich stimmte sie Xochi doch zu, warum
griff sie sie dann an? Das Zukunftsgesetz funktionierte nicht, und der Senat
verschärfte es, obwohl es zu nichts nutze war. Vielleicht lag es an der Art und
Weise, wie Xochi sich geäußert hatte. Ihr waren Persönlichkeitsrechte wichtiger
als alles andere. Kira hatte das auch geglaubt, doch inzwischen sah sie die
Sache anders. Sie hatte beobachtet, wie der Senat darüber diskutiert hatte, und
die Furcht in den Augen der Mitglieder gesehen. Wie Delarosa gesagt hatte, ging
es um die Ausrottung der Menschheit. Die anderen jungen Frauen blickten sie an,
und die überraschten Mienen machten sie nur noch wütender. »Ist euch schon mal
in den Sinn gekommen, dass es tatsächlich etwas Wichtigeres geben könnte als
eure Rechte? Vielleicht ist das Überleben der ganzen Menschheit wichtiger als
euer Recht, darüber zu jammern.«
Xochi zog die Augenbrauen hoch. »Da ist aber jemand schlecht drauf.«
»Ich bin es nur leid, dauernd etwas über Bürgerrechte, Privatsphäre
und Entscheidungsfreiheit zu hören. Entweder wir lösen das Problem, oder wir
werden ausgerottet. Dazwischen gibt es nichts. Und wenn wir schon ausgerottet
werden, dann soll es meiner Ansicht nach nicht allein deshalb geschehen, weil
Xochi Kessler sich zu große Sorgen um ihre Rechte gemacht hat und nicht bereit
war, sich einzubringen und uns zu retten.«
Das ging Xochi gegen den Strich. »Wir reden nicht über das
Einbringen, sondern über institutionalisierte Vergewaltigung«, widersprach sie.
»Wir reden darüber, dass die Regierung die volle Kontrolle über unseren Körper
übernommen hat. Man entscheidet, wozu er gut ist, was wir damit tun dürfen und
was andere damit tun dürfen. Ich lasse mich nicht von einem geilen alten Bock
vögeln, nur weil es das Gesetz von mir verlangt.«
»Dann such dir doch einen geilen
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