Partials 1 – Aufbruch
bereits
ausgiebig, wurde langsam ruhiger, schwieg und schlief endlich ein. Schließlich
atmete sie tief und ruhig.
Ich lasse ihr Kind nicht sterben, schwor sich Kira. Wie immer das zu
schaffen sein mag. Das Baby wird überleben.
Aber wie? Sie fühlte sich überfordert und schüttelte den Kopf. Der
Bürgerkrieg hatte vielleicht schon begonnen, und sie konnte nicht einmal
aufrecht gehen. Die letzte Blutprobe – mit einem solchen Ergebnis hätte sie nie
gerechnet. Eine neue Variante des Virus, die bisher noch niemand gesehen hatte?
Das war doch völlig unsinnig. Ich habe geglaubt, ich wüsste, wie RM funktioniert, dachte sie. Aber jetzt … alles, was ich
bisher angenommen habe, war falsch, undich habe
keine Zeit mehr, die richtigen Antworten zu finden.
Nervös trommelte sie mit den Fingern auf die seitlichen Stangen
ihres Krankenhausbetts. Sie musste die Mosaiksteinchen zusammensetzen. Sie
dachte daran, was sie bisher in Erfahrung gebracht hatte, und versuchte einen
neuen Blickwinkel zu finden. Bisher kannte sie vier Erscheinungsformen des RM -Virus: die Spore in der Luft, den Klecks im Blut, den
Schläfer in Samms Atem und das Raubtier in der Blutprobe des Neugeborenen. Ich
dachte, die Spore verwandelt sich in den Klecks, überlegte sie. Aber das ist
nicht passiert. Sie hat sich in das Raubtier verwandelt, und nach den alten Dokumenten
ist das auch früher schon geschehen, also ist dies keine Anomalie. Geschieht
das jedes Mal? Ob das Raubtier einfach ein Stadium zwischen Spore und Klecks
ist?
Im Geist ordnete sie die Versionen an und nannte die luftgebundene
Spore Phase Eins. Das Raubtier war Phase Zwei, der Klecks Phase Drei. Bisher
hatte noch niemand beobachten können, wie der Klecks tatsächlich einen Menschen
getötet hatte. Das Virus befand sich im Blut aller Menschen, die überlebt
hatten, also hatte man entsprechende Schlüsse gezogen. Wenn aber diese Form gar
nicht die tödliche Variante war? Wenn nun das Raubtier der Killer war und sich
längst in den Klecks verwandelt hatte, wenn ein Test durchgeführt wurde?
Kira schüttelte den Kopf und fluchte über die Explosion. Wenn ich
noch eine Probe überprüfen könnte, ohne von einer Explosion gestört zu werden,
könnte ich genau feststellen, was da passiert, ging es ihr durch den Kopf.
Vielleicht. Aber ich habe keine Zeit für weitere Tests. Ich habe nicht einmal
mehr ein Labor. Sie rutschte im Bett herum und keuchte, als das Bein wehtat.
Schließlich stöhnte sie verzagt. Wie sollte sie etwas in Ordnung bringen, wenn
sie sich nicht einmal bewegen konnte?
Die Tür öffnete sich wieder, und Dr. Skousen kam herein, gefolgt von
Mister Mkele. Skousen trat zunächst ans Bett des bewusstlosen Shaylon.
Mkele schloss die Tür von innen ab.
»Sie sind wach.« Mkele betrachtete Kira genau. Sie strich die Decke
über den Beinen glatt und starrte trotzig zurück. »Das freut mich, weil wir mit
Ihnen reden müssen.«
»Was ist passiert?«, fragte sie. »Und wo ist Samm?«
Dr. Skousen ging zu Madison und tastete den Kopf und das Gesicht
vorsichtig ab. »Sie schläft.«
»Gut«, sagte Mkele. »Dann wollen wir beginnen.«
»Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte Kira. Es sollte energisch
und fordernd klingen, doch sie fühlte sich schwach und verletzlich. Sie war
verwundet und müde und lag halb nackt in einem Krankenhausbett. Sie zog die
Decke weiter hoch. »Das war ein Angriff der Stimme ,
oder? Haben die Rebellen auch andere Gebäude angegriffen? Beginnt der Bürgerkrieg?
Und sagt mir endlich jemand, was aus Samm geworden ist?«
Dr. Skousen nahm eine kleine Flasche aus der Tasche seines Kittels,
dann eine kleine Spritze und eine winzige Nadel. Die Nadel erfüllte Kiras
Gesichtsfeld, sie funkelte leicht im schwachen Licht.
»Samm ist unter Kontrolle«, erklärte Mkele. Er war müde, das Gesicht
wirkte hager. »Jetzt müssen wir noch den zweiten Unsicherheitsfaktor unter Kontrolle
bringen.«
Kira zuckte zusammen und sah sich entsetzt im Raum um, ob es eine
Fluchtmöglichkeit gab. Die Tür war abgesperrt, das Fenster verschlossen, und
das Bein kreischte vor Schmerzen, wenn sie nur ans Gehen dachte. Sie blickte
Skousen an, der langsam die Spritze aufzog, dann wandte sie sich an Mkele.
»Wollen Sie mich umbringen?«
»Nein.« Mkele kam zu ihr. »Aber wir möchten Sie bitten, nicht zu
schreien.«
Skousen hob die Spritze und schnippte mit dem Finger dagegen. Kira
riss die Augen auf und wollte kreischen, doch Mkele presste ihr die Hand auf
den Mund,
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