Partials 1 – Aufbruch
Gewehr über
die Schulter. »Dann wollen wir nicht länger herumtrödeln.«
Sie schlichen weiter zwischen den Bäumen hindurch, beobachteten die
Brücke vor ihnen und lauschten auf alle Geräusche, die sich von den gewohnten
nächtlichen Lauten abhoben. Sie befanden sich außerhalb der dicht besiedelten
Gebiete, hier gab es Gehölze mit mächtigen Bäumen und Unterholz. Wo der Wald
lichter wurde, standen vereinzelt alte Villen, die inzwischen jedoch hinter
Kudzu und Hunderten winziger Schösslinge verschwanden. Schließlich überquerten
sie eine weitere Nebenstraße und näherten sich zwischen den Bäumen hindurch dem
Fundament der Brücke.
»Uns bleibt nichts anderes übrig, als es einfach zu versuchen«,
sagte Marcus. Sie nahmen ihre Rucksäcke und Waffen, holten tief Luft und
rannten los.
Die Brücke war kürzer als jene über die Wasserstraßen vor Manhattan,
doch Kira fühlte sich ungeschützt und hatte Angst. Der Expressway erstreckte
sich meilenweit in beide Richtungen. Wer hier wachte, würde sie sofort bemerken.
Sie mussten eben hoffen, dass sie als Erste einträfen. Auf der anderen Seite
verschwanden sie keuchend vor Anstrengung zwischen den Bäumen und orientierten
sich.
»Alles klar.« Samm ließ das Gewehr sinken.
»Ich habe da draußen nichts gesehen«, meinte Xochi.
»Das schließt nicht aus, dass man uns bemerkt hat«, widersprach
Jayden. »Wir können uns erst wieder ausruhen, wenn wir den Sund überquert
haben.«
Die Straße führte noch ein Stück weiter, dann erreichten sie eine T -Kreuzung und wandten sich nach Westen, um parallel zum
Expressway weiterzugehen.
Marcus eilte nach vorn an Kiras Seite. »Wie geht’s deinem Bein?«
»Kaum der Rede wert, wenn man es sich richtig überlegt.« In
Wirklichkeit machten sich die Nachwirkungen der Behandlung mit der Regenerationsbox
bemerkbar. Die verletzte Haut juckte höllisch, und sie musste sich beherrschen,
um sich nicht zu bücken und mit einem Stock daran herumzustochern. Außerdem
machte sie sich Sorgen, sie könnte es übertrieben und mit der Überdosis das
Gewebe zerstört haben. Darüber wollte sie jedoch nicht weiter nachdenken, denn
in dieser Hinsicht konnte sie ohnehin nichts tun. »Was ist mit dir?«
»Ich unternehme im Mondschein einen Spaziergang mit dem Mädchen
meiner Träume.« Er lachte. »Und mit Xochi, Jayden und einem bewaffneten
Partial. So werden auf einen Schlag alle meine geheimsten Phantasien wahr.«
»Erzähl uns noch etwas über …«, setzte Xochi an und unterbrach sich
sofort, als in der Nähe ein Pferd wieherte. Alle blieben wie angewurzelt
stehen.
»Jetzt habe ich die Pferde eifersüchtig gemacht«, scherzte Marcus.
Jayden hieß ihn mit einer Geste schweigen.
»Das kam von dort drüben«, flüsterte der Soldat und deutete zur
anderen Straßenseite. »Eine der Farmen, die ich erwähnt habe.«
»Liegt sie schon so nahe?«
»Eigentlich nicht, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Wir folgen
dem Verlauf der Schnellstraße nach Westen, bis wir … bis wir Meerwasser
riechen. Hättest du mir verraten, dass wir diese Richtung einschlagen, dann
hätte ich eine Karte mitgenommen.«
»Also nach Westen«, sagte Kira. »Seid leise!«
Sie folgten der gewundenen Straße, bis sie eine kleine Siedlung
erreichten. Auch hier erstreckte sich der Wald bis zum Straßenrand, und die
Gebäude standen abseits. Leer und unheimlich ragten sie zwischen den Bäumen
auf. Es gab kein urbares Land, also waren sie als Farmhäuser nicht zu
gebrauchen, und außerdem befanden sie sich viel zu nahe an der Nordküste. Nicht
einmal Banditen interessierten sich für diese Gegend.
Schweigend wanderten sie weiter. Nach anderthalb Kilometern
erreichten sie eine Hauptstraße, an der Ecke lag ein verfallenes
Einkaufszentrum. Sie überlegten, ob sie nach Norden gehen sollten, doch Jayden
beharrte darauf, mindestens noch einen Kilometer nach Westen auszuweichen.
»Wenn wir zu früh nach Norden abschwenken, landen wir mitten
zwischen den Farmen und gelangen gar nicht erst bis zum Wasser«, warnte er.
»Was hattest du eigentlich vor? Nach Norden marschieren, bis das Land zu Ende
ist?«
»So ungefähr«, gab Kira zu. »Dort gibt es doch überall Boote.«
Hinter sich hörten sie ein dumpfes Grollen. Ein Motor.
»Sie sind näher, als ich dachte, und dem Motorengeräusch nach setzen
sie Jeeps ein«, erklärte Jayden. »Sie meinen es wirklich ernst.« Er hielt inne
und atmete tief durch. »Sie haben Karten und wir nicht, also sind sie uns
gegenüber im
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