Partitur des Todes
Kommissariat eingefunden hatten. Der Mann hielt ihm ein Mikrophon vor den Mund und bat um eine Stellungnahme zumMord an Oliver Frantisek.
«Kein Kommentar», sagte Marthaler und schob das Mikrophon beiseite.
Schon ein paar Schritte weiter sah er sich umringt von anderen Journalisten. SeineAnkunft hatte sich in Windeseile herumgesprochen.Alle schrien gleichzeitig auf ihn ein.
«Bitte!», rief er. «Lassen Sie mich durch. Ich habe keine Zeit für Erklärungen. Wenden Sie sich an die Kollegen der Presseabteilung, fahren Sie ins Präsidium und geben Sie die Straße frei.»
«Wir kommen gerade aus dem Präsidium!», sagte eine junge Frau, die ganz in seiner Nähe stand. «Niemand weiß etwas. Stimmt es, dass Oliver Frantisek bei lebendigem Leib verbrannt wurde?»
Marthaler schüttelte den Kopf. «Nein, verdammt! Wer erzählt einen solchen Unsinn?»
«Warum musste Frantisek sterben? Was hat er gewusst?»
Marthaler überlegte. Er merkte, dass er nur eine Möglichkeit hatte. Er musste den Journalisten irgendetwas geben, um sie so schnellwie möglich loszuwerden. Und er würde sie nur loswerden, wenn er ihnen die Wahrheit sagte.
«Wir wissen nicht, was er wusste», sagte Marthaler. «Oliver Frantisek hat einen Fehler gemacht. Er hat auf eigene Faust ermittelt und seine Erkenntnisse nicht weitergegeben. Vielleicht hatte er Gründe dafür.Aber es war ein Fehler, der ihn das Leben gekostet hat. Einige haben ihn zum Superbullen stilisiertund ihn damit unter Druck gesetzt. Er war ein guter Polizist, aber ihr habt ihn in eine Rolle gedrängt, die er nicht ausfüllen konnte. Er hätte es nicht einmal versuchen dürfen. Ihr habt ihn zum starken Mann machen wollen.Aber er war schwächer, als wir alle geglaubt haben.»
«Finden Sie es nicht ein wenig pietätlos, einen Kollegen zu kritisieren, der gerade in Ausübung seines Dienstes sein Leben verloren hat?»
Marthaler drehte sich um und schaute den Reporter an, der die Frage gestellt hatte.
«Was fällt Ihnen ein?», fragte er. «Wenn Sie wollen, dass man Ihnen nichtssagende Erklärungen gibt, dürfen Sie nicht ausgerechnet mir Ihre Fragen stellen. Ich sage, es war ein Fehler, was Frantisek gemacht hat. Ich will, dass sich ein solcher Fehler nicht wiederholt. Ich will, dass sein Beispiel den vielen jüngeren Kollegen, die ihn bewundert haben, eine Warnung ist.»
«Sie sind am Samstag im Bahnhofsviertel gesehen worden. Glauben Sie, dass der Täter im Rotlichtmilieu zusuchen ist?»
Marthaler grinste. «Kein Kommentar.Aber es ist nett, dass Sie mich nicht gefragt haben, ob ich dort jetzt meine Freizeit verbringe.»
«Stimmt es, dass Frantisek sich mit Waffenschmuggel beschäftigt hat?»
«Gehen Sie bei den Morden inzwischen von einem politischen Zusammenhang aus?»
«Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Valerie Rochard noch am Leben ist?»
Wieder stürmten alle Fragen gleichzeitig auf ihn ein. Marthaler hob beide Hände: «Ich habe gesagt, was ich zu sagen habe.Alles andere werden Sie in Kürze von unserem Pressesprecher erfahren. Bitte lassen Sie mich jetzt durch. Je schneller ich wieder an meinenArbeitsplatz komme, umso raschererhalten Sie neues Futter für Ihre Leser und Zuschauer.»
Murrend machte man ihm Platz. Zwei Fotografen liefen rückwärts vor ihm her, um ein paar letzte Bilder zu schießen.
Endlich hatte er den Eingang des Weißen Hauses erreicht. «Sabato will dich sprechen», rief Elvira, als er an der offenen Tür ihres Büros vorbeikam. «Ich soll ihm Bescheid geben, wenn du da bist.» Marthaler ging in die Teeküche und machte sich einen Espresso. Er öffnete den Kühlschrank, um zu sehen, ob irgendwer dort etwas zu essen deponiert hatte. Er fand ein trockenes Stück Rührkuchen und hatte es mit wenigen Bissen verschlungen. Als er sein Büro betrat, saß Sabato bereits auf einem der Besucherstühle. «Stimmtdas mit Frantisek? Ist er es wirklich?» Marthaler schnaubte. «Ja. Es stimmt. Und anscheinend weiß die Presse mal wieder früher Bescheid als die meisten Kollegen. Henschel, Döring und Liebmann sind vor Ort.
Wir machen hier weiter… Hast du den Schlüssel gefunden, mit dem wirArthur Hofmanns Geheimschrift in einen Klartext übersetzen können?» «Habe ich, Robert, aber meine ganzeAktion war überflüssig», sagte Sabato und sah auf die schwarze Mappe, die auf seinem Schoß lag und über der er seine Hände gefaltet hatte. «Verdammt.Aber du hast doch gesagt, du müsstest es nur in den Computer eingeben…» «Hör mir doch zu: Ich habe
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