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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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wir wohl.»
    «Dann scheint er hektisch zu werden. Das Ganze wirkt zwar ebenso brutal wie die vorigen Morde, aber doch auch unüberlegt, überstürzt, fahrig! Der Mann ist unter Druck. Ich glaube, das lässt sich nicht übersehen.»
    «Ja», sagte Marthaler und wandte sich zum Gehen, «und wer unter Druck steht, macht Fehler. Das wissen wir von uns selbst… GrüßFüchsel!»
    «Nein, mach ich nicht», sagte Thea Hollmann. «Nicht schon wieder. Ich hab ihn erst gestern von dir gegrüßt. Wenn er erfährt, dass wir uns jetzt jeden Tag sehen, kommt er womöglich auf Gedanken.» Marthaler trottete langsam über den Feldweg. Nach ein paar Minuten drehte er sich zumersten Mal um. In der Ferne sah er dasAutowrack, die Einsatzfahrzeuge und die vielen Leute, die innerhalb und außerhalb derAbsperrung herumliefen.
    Zum wiederholten Male wunderte er sich, dass jeder Schauplatz eines Verbrechens binnen kurzem einemAmeisenhaufen glich.Alle waren angespannt, alle rannten durcheinander und verfluchten sich gegenseitig. Jeder hatte seine eigene Methode, mit der Situation fertig zu werden. Manche versuchten ihre Nerven unter Kontrolle zu halten, indem sie Witze rissen.Andere kauten Kaugummi oder steckten sich eine Zigarette nach der anderen an. Die meisten gingen stummund konzentriert ihrerArbeit nach.
    Marthaler hatte fast immer den Wunsch, alleine zu sein. Wenn er den Tatort gesehen, wenn er die Einzelheiten in sich aufgenommen hatte, brauchte er Zeit, um alles zu verarbeiten.
    Jetzt dachte er an das, was Kerstin Henschel gestern auf der Sitzung gesagt hatte: «Jeder Mord erzählt uns eine Geschichte.» Er fragte sich, welche Geschichte der Mord an Oliver Frantisek erzählte.
    Am Samstagvormittag war Frantisek nach Köln gefahren, um sich von seinem französischen Kollegen überdie Ermittlungen im Fall der geraubten Desert Eagle informieren zu lassen.AmAbend desselben Tages hatte Kerstin noch einmal mit ihm telefoniert. Er hatte nichts erzählen wollen, er war ihren Fragen ausgewichen. Das war das Letzte, was sie von ihm gehört hatten. Jetzt war er tot.Also war seineAhnung richtig gewesen. Der Weg zur Tatwaffe hatte ihn zum Täter geführt. Er hatte alles richtig gemacht, und dann hatte er alles falsch gemacht. Statt seine Erkenntnisse mit den Kollegen zu teilen, hatte er als Einzelkämpfer gehandelt. Jetzt fehlten ihnen nicht nur die Informationen, auf die er gestoßen war, jetzt fehlte er ihnen auch selbst.
    Unvermittelt blieb Marthaler stehen. Er merkte, wie ihm schwindelig wurde. Plötzlich hatte er das Gefühl, in einen Strudel gerissen zu werden. Bis jetzt hatte ihn die Routine vor diesem Zustand bewahrt. Nun überfiel ihn die Verzweiflung mit ganzer Wucht.
    Er pumpte seine Lungen auf und stieß einen Schrei aus. Dann nochmal und nochmal. Er schüttelte den Kopf, als könne er sich so von der Übermacht der Bilder und Gedanken befreien.
    Schließlich lief er langsam zurück.
    Kerstin Henschel saß auf dem Fahrersitz des BMW und machte sich Notizen. Sie sah angegriffen aus.
    «Wie geht’s?», fragte Marthaler, als er bei ihr ankam.
    «Es geht», sagte sie mit vollkommen ausdrucksloser Stimme. «Ich versuche zu arbeiten, um nicht denken zu müssen. Ich habe mit der Schülerin gesprochen, die den ausgebrannten Wagen entdeckt hat. Jadwiga. Sie erzählt, dass sie dasAuto vorher bereits zweimal gesehen hat. Beide Male am Samstag und beide Male hier in derUmgebung – in Butzbach und in einem Ort namens Langenhain.»
    «Dann hat der Täter diesmal wirklich einen Fehler gemacht. Dann hat er uns verraten, wo er sich aufhält… Wo ist Charlotte?»
    «Sie ist auf dem Weg nach Wiesbaden. Sie hat Liebmann und Döring benachrichtigt. Die beiden müssen jeden Moment hier eintreffen.»
    «Gut, wenn ihr hier die Stellung so lange haltet, werde ich nach Frankfurt zurückfahren. Ich will sehen, ob Sabato schon etwas herausgefunden hat.»
    Kerstin Henschel stieg aus demWagen und reichte Marthaler den Schlüssel.
    Er hatte den Motor bereits gestartet, als er die Scheibe der Fahrertür herunterließ.
    «Und… Kerstin…»
    «Was?»
    «Wir kriegen ihn. Ich verspreche dir, dass wir ihn kriegen.»
     

Sechs
    Marthaler wollte in die Günthersburgallee einbiegen, musste aber feststellen, dass die gesamte Fahrbahn mit Autos verstopft war. Er stieß zurück, fuhr in Richtung des Parks und stellte den Wagen in der Wetteraustraße ab.
    Fünfzig Meter vor dem Weißen Haus erkannte ihn einer der Reporter, die sich inzwischen zu Dutzenden vor dem

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