Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
Vom Netzwerk:
einlassen sollen.» «Aber wieso nicht?Alles läuft doch prächtig. Kommen Sie, lassen Sie uns darauf anstoßen; ich lade Sie zueinem Glas Champagner ein.» «Es rufen mich Leute an, denen ich nie meine Nummer gegeben habe. Ich stehe nicht im Telefonbuch; trotzdem werde ich belästigt. Kollegen von Ihnen lungern vor meiner Wohnung herum. Selbst hier in der Bar ist bereits nach mir gefragt worden.»
    «Aber freuen Sie sich denn gar nicht? So oder so, Ihr Leben wird sich ändern. Sie können jetzt nicht mehr so tun, als sei nichts geschehen.»
    «Genau das werde ich aber tun.»
    «Ich fürchte, das wird nicht möglich sein.»
    «Was soll das heißen?»
    «Wir haben viele Anfragen erhalten, man will mit Ihnen verhandeln. Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen. Ich möchte Sie einladen zu einer Reise.»
    «Zu was für einer Reise?»
    «Ich möchte, dass wir beide nach Frankfurt fahren, um dort ein paar Nachforschungen anzustellen. Wir könnten die Gelegenheit nutzen, um einige deutsche Musikverleger zu treffen, die sich bereits bei mir gemeldet haben. Wir könnten schon morgen früh…»
    «Nein!»
    Erschrocken sah Valerie Monsieur Hofmann an. Noch nie hatte sie eine solche Schärfe in seiner Stimme wahrgenommen. Dennoch wollte sie noch einen zaghaften Versuch unternehmen, ihn umzustimmen.
    «Aber würde es Ihnen denn keine Freude machen, die Orte Ihrer Kindheit wiederzusehen…»
    «Ich habe gesagt: Nein! Es kommt überhaupt nicht in Frage, und ich bitte Sie, dieses Thema nicht noch einmal anzusprechen!»
    Valerie tat, als sei sie enttäuscht. Sie schwieg einen Moment, dann wagte sie einen neuen Vorstoß.
    «Und was, wenn ich alleine fahren würde?»
    «Bitte sehr.Auch wenn ich Ihren Wunsch nicht verstehe.Aber abhalten kann ich Sie wahrscheinlich doch nicht.»
    «Dann müssten Sie mir allerdings das Manuskript noch eine Weile überlassen.»
    «Warum machen Sie sich nicht einfach eine Kopie?»
    «Es wäre besser, ich könnte die Handschrift mitnehmen. Einer der Interessenten hat bereits betont, dass er das Original sehen will, um es auf seine Echtheit zu prüfen.»
    Monsieur Hofmann überlegte. «Gut», sagte er schließlich widerstrebend. «Nehmen Sie es mit; aber passen Sie gut darauf auf. Es ist das einzige Andenken an meinen Vater, das ich habe.»
    Valeriewar aufgestanden. Jetzt beugte sie sich über seinen Kopf, nahm ihm den Strohhut ab und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
    «Sie sind ein Schatz», sagte sie.«Ich werde morgen den ersten Zug nehmen. Ich werde Sie regelmäßig von unterwegs anrufen und Sie auf dem Laufenden halten.»
    «Ja», sagte er. «Das ist zu befürchten.»
     

Zweiter Teil

Eins
    Der Mann war immer noch da. Er hatte schon vor einer Stunde dort unten auf der Bank gesessen, und es sah aus, als habe er sichseitdem keinenMillimetervon der Stelle gerührt.
    Eva Helberger hatte die Gardinebeiseitegeschoben und schaute aus dem Fenster ihrer Dachwohnung am Frankfurter Schaumainkai.Sie sah, was sie immer dort sah. Die gestutzten Platanen, deren Blätter sich lautlos bewegten, das kleine Restaurantboot, das direkt neben der BrückevorAnker lag, die Spaziergänger am Ufer, die ihre Hunde ausführten, die Skateboarder und Fahrradfahrer. Und die vielenbuntgekleideten Läufer, die hier zu jeder Jahreszeit ihr Training absolvierten. Nur im Herbst, wenn es draußen kälter und die Tage kürzer wurden, nahm ihre Zahl ab.Aber schon kurz nach Weihnachten und in den ersten Wochen des neuen Jahres waren sie alle wieder da; dann hatten sie gute Vorsätze gefasst und liefen wieder unermüdlich den langen asphaltierten Weg auf und ab.
    Auf der anderen Seite des Flusses leuchteten die Fassaden der Hochhäuser in der Nachmittagssonne, ein Flugzeug kreuzte den Himmel, und auf dem Main zog langsam ein riesiger Lastkahn vorüber.Auf der Untermainbrücke staute sich der Verkehr,während ein Rettungswagen mit eingeschaltetemBlaulicht und Martinshorn im dichten Gedränge derAutos versuchte, eine Lücke zu finden.
    Eva Helberger zwinkerte kurz dem halbnackten Dolf Lundgren zu, der ihr seit Jahren von dem Plakat an ihrer Zimmerwand zulächelte. Dann gähnte sie. Zum Kaffee hatte sie ein trockenes Stück Streuselkuchen gegessen, dann war sie ins Wohnzimmer gegangen, hatte sich in den Sessel gesetzt, den Fernseher eingeschaltet und war schon nach kurzem vor einer der Talkshows eingeschlafen.Als sie wieder aufgewacht war, hatte sie auf die Uhr gesehen. Es war 15.49Uhr gewesen. Und jetzt war da immer noch dieser Mann.
    Sie

Weitere Kostenlose Bücher