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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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einer der dienstältesten Juristen der Frankfurter Staatsanwaltschaft. Zu ihrer Linken nahm jetzt der Polizeipräsident Platz. Gabriel Eissler schaute auf die Uhr, dann klopfte er mit der Spitze des Zeigefingers an das Mikrophon, das man vor ihm aufgestellt hatte. Für einen Moment verstummten alle Gespräche, und sämtlicheAugen wandten sich dem Podium zu.Als Eisslergerade seine Durchsage machen wollte, trat der Leiter der Presseabteilung von hinten auf ihn zu, beugte sich herunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Eissler stand auf und begrüßte einen Mann, der jetzt die Bühne betreten hatte. Den Mann als groß und kräftig zu beschreiben, wäre einer bewussten Untertreibung gleichgekommen. Er war über zwei Meter groß, wog deutlich über hundert Kilo, warAnfang dreißig, hatte aber bereits schütter werdendes, dunkles Haar, das er aufseinem breiten Schädel nach hinten gekämmt hatte. In dem Porträt, das Marthaler neulich mit wachsendem Widerwillen in einer Illustrierten gelesen hatte,wurde er «der Superbulle» und «die Wunderwaffe» genannt. Obwohl Mitarbeiter des Landeskriminalamtes, war Oliver Frantisek weder einer einzelnen Abteilung zugeordnet noch einem direkten Vorgesetzten unterstellt. Von seinen Kollegen hatte er den Spitznamen «SpecialAgent O.» erhalten.Aus dem Zeitschriftenartikel hatte Marthaler erfahren,dass Frantisek in seiner Jugend geboxt hatte,später Landesmeister imKugelstoßen geworden war, sein Juraexamen mitAuszeichnung bestanden hatte und als einerder besten Schützen der hessischen Polizei galt. Man hatte ihn Praktika beim FBI, bei New Scotland Yard und bei der Moskauer Polizei absolvieren lassen. Erwar bereits eine Legende, bevor er noch richtig angefangen hatte zu arbeiten. Und Marthaler hatte den Verdacht, dass das Landeskriminalamt ihn zu dieser Legende hatte machen wollen.
    Wieder sah der Hauptkommissar, wie seine neue Chefin ihm zuwinkte – nun schon deutlich ungeduldiger. Diesmal konnte er nicht mehr so tun, als habe er das Zeichen nur als einen freundlichen Gruß verstanden. Sie wollte, dass er nach vorne kam und sich aufden letzten freien Platz in der erstenReihe setzte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihrer Aufforderung Folge zu leisten.Als Charlotte gerade ein paar Worte an ihn richten wollte, war aus den Lautsprechern die Stimmedes Polizeipräsidenten zu hören.
    «So, ich denke, wir sind nahezu vollständig.» Gabriel Eissler hatte sich über das Mikrophon gebeugt und schob nun den Steg seiner randlosen Brille mit dem Mittelfinger nach oben auf die Nasenwurzel. Jetzt erst fiel Marthaler auf, dass es diese Geste war, die Kai Döring vorhin nachgeahmt hatte.
    «Bevor wir mit unserer Sitzung beginnen», fuhr der Polizeipräsident fort, «darf ich Ihnen aber noch einen Gast ankündigen, den ich Sie bitte, besonders herzlich zu empfangen. Wir haben heute die Ehre, unseren obersten Dienstherrn, den Innenminister Roland Wagner, begrüßen zu dürfen.»
    Er war es also, der in dem dunklen Wagen gesessen hatte, den sie vorhin in die Tiefgarage hatten kommen sehen. Rundum war ein Raunen zu hören, das Marthaler nicht zu deuten wusste.
    «Der Minister wird hoffentlich in wenigen Augenblicken hier eintreffen», sagte Gabriel Eissler. «Wie ich höre, telefoniert er in dieser Minute noch mit Berlin.»
    «Von wegen», murmelte eine Kollegin, die neben Marthaler saß. «Der Minister telefoniert nicht, der Minister lässt sich schminken.»
    Marthaler sah seine Nachbarin fragend an.
    «Ja. Man sagt, er absolviert keinen öffentlichen Auftritt, ohne sich vorher die Augenbrauen nachziehen und das Gesicht frisch pudern zu lassen. Schon für den Fall, dass irgendwo eine Kamera in der Nähe ist.»
    Tatsächlich betrat Roland Wagner in diesem Moment den Saal. Es wurde verhalten applaudiert.Als der Minister an Marthaler vorbeikam, sah dieser, dass seine Kollegin recht hatte. Der Politiker war frisch geschminkt.
    Obwohl schon längst niemand mehr klatschte, machte Wagner eine Geste, als müsse er den Beifall seinerAnhänger zum Verstummen bringen. Erst dann setzte er sich auf seinen Platz zwischen dem Polizeipräsidenten und Oliver Frantisek. Da die drei sich weder zunickten noch die Hände reichten, nahm Marthaler an, dass sie sich heute Morgen bereits gesehen hatten.Also hatte man den Ablauf dieser Sitzung bereits festgelegt, bevor noch mit den ermittelnden Beamten vor Ort gesprochen worden war.Am liebsten wäre Marthaler aufgestanden und hätte den Saal verlassen. Die

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