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Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Titel: Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
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dieser Zirkusepisode herzustellen. Er kam auf keinen grünen Zweig. Zur Logik war er nicht mehr in der Lage.
    Er rief zu Hause an.
    Er sprach nicht sehr flüssig.
    »Was willst du noch?«, klang es ihm eisig entgegen.
    »Ich wollte dich nur fragen, ob du weißt, wie schwer die Dressur eines Löwen in der Brunft ist?«
    »Spinnst du?«
    »Nein. Ich möchte nur wissen, ob du –«
    »Meinst du mit Löwen dich?« Sie wartete die Antwort nicht ab. »Da würde ich doch eher von einem Bock sprechen.«
    Gott sei Dank, dachte der Entertainer, sie hat ihren Humor wieder.
    Im Traum sah er sich im Gitterrund auf einem Hocker sitzen und eine nervöse, aber furchtlose Dompteuse anlächeln.

Das abgeschnittene Glied
    SIE TRAFEN SICH IM KAFFEEHAUS, wie fast wöchentlich einmal, der Erzähler und der Zeichner. Wozu zu sagen ist, dass diese nach Bedeutung klingenden Berufsbezeichnungen ihre Träger nicht hinreichend ernährten. Der Erzähler war auch Stellvertretender Pressechef der Stadtregierung, der Zeichner auch freischaffender Werbegrafiker. Seine Ideen, Entwürfe und dergleichen wurden nie ausgeführt, waren jedoch für die Agenturen nützlich, denn die hatten immer auch gerne etwas Intelligentes im Angebot, das die leitenden Herren der auftraggebenden Firmen zwar bewundern, aber verwerfen konnten.
    Der Erzähler hatte es mit seinem Job ganz gut getroffen, denn seine Tätigkeit ließ ihm auch während der Dienstzeiten Raum für kreative Phasen.
    Diesen Raum hatte der Erzähler in letzter Zeit sehr genützt. Der mächtig behaarte, massige Mann holte aus einer schon sehr speckigen Mappe einen Packen Papier und schob ihn seinem glatzköpfigen, zartgliedrigen und immer nervösen Freund hin. Der sah auf das Titelblatt und las: »Die dunklen Stellen/Erotische Erzählungen«.
    Der Zeichner sah den Erzähler fragend an. Denn ein Buch dieser Art hätte er von ihm nie und nimmer erwartet. Der Erzähler war verheiratet, zog zwei Jungen auf, einen selbst gezeugten, einen in die Ehe mitgebrachten, und seine Frau war eine im Sozialdienst arbeitende Psychologin. Er machte seinem Freund immer den Eindruck eines annähernd Monogamen. Mit »annähernd« ist gemeint, dass Begierde und Realisation in einem krassen Missverhältnis stehen. Zudem war die Frau des Erzählers nicht nur hochintelligent, sondern auch extrem eifersüchtig. Die wäre ihm – nach Meinung des erotisch umtriebigen, weil allein lebenden Zeichners – sofort auf Abwege draufgekommen.
    Einmal hatte der Erzähler seinem Freund eine Geschichte gestanden. Er war zu einem Kongress über die Optimierung der Kanalisation in Großstädten nach Seoul mitgenommen worden, um in der städtischen Monatszeitschrift darüber zu berichten. Da hatte ihm seine Frau vor der Abreise gesagt, wenn er von dem reichlichen Angebot an mandeläugigen Schönheiten Gebrauch machte, würde sie ihm nach der Heimkunft »den Schwanz abschneiden«, denn sie würde die andere Frau riechen, dessen könne er sich sicher sein. Das hatte, so die Schilderung des Erzählers, zur Folge gehabt, dass ihn, als eine überaus angenehme asiatische Gespielin in seinem Hotelbett lag, ständig panische Gedanken plagten, die auch die ersten Tage nach dem Heimkommen angehalten hätten. Dass also dieser Mann in der Lage war, »Erotische Erzählungen« zu schreiben, war dem Zeichner nicht erklärbar.
    Die Herren diskutierten dann noch die kolossale Selbsttäuschung einer Frau, die behauptet, andere Frauen »riechen« zu können.
    »Wenn das stimmt, gäbe es einige Erfahrungen in meinem Buch nicht«, meinte der Erzähler grinsend. »Frauen überschätzen sich da offenbar.«
    Das erheiterte beide Herren.
    »Lies das und sag mir deine Meinung, Alter«, sagte der Erzähler, als er in Richtung seines Büros aufbrach. »Beim Kaffee bist du dran.«
    Das Kaffeehaus war bevorzugt von Bohème- und auch Werbemenschen bevölkert. So war es dort ganz normal, dass ein Gast sich »noch einen Espresso« bestellte und dann nahezu drei Stunden ein Skript las. Der Zeichner las sich schon in der ersten Geschichte fest. Denn er konnte es nicht fassen: Sein Freund war nicht der brave Mann, für den ihn die Welt hielt. Er war ein Sexist, ein Mensch mit den kuriosesten und extremsten Erfahrungen, die – das machte der Text klar – nicht erfunden, sondern beobachtet und erlebt waren. Das war ein Buch, das – und dieses Problem fesselte den Zeichner zunehmend mehr als das Werk – man einer Ehefrau nicht zumuten kann, es sei denn, sie wäre auch

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