Partnerin wider Willen
Bewegung, die leichtes Unwohlsein ausdrückte. »Stinke ich?« Sie hob ihren Arm, roch an der Jacke und rümpfte die Nase.
Ellen grinste. »Jedenfalls nicht bis hierher.«
»Beruhigend.« Dana sah skeptisch an sich herab. »Dann hängt der Gestank nur in meiner Nase fest.«
»Tja, vielleicht sind Sie in Zukunft etwas vorsichtiger mit dem, was Sie schreiben«, riet Ellen.
Dana setzte sich. »Und verpasse solche Erlebnisse? Um nichts in der Welt«, sagte sie salopp. »Es brauchte nur eine Tüte Abfall über meinem Kopf, um bestätigt zu bekommen, dass Sie gar nicht so humorlos sind wie Sie die ganze Zeit tun. Das war es wert.«
»Entschuldigung«, murmelte Ellen zerknirscht. »Das war nicht nett, ich weiß. Aber der Anblick war einfach zu schön.«
»Ja, klar.«
»Als Entschädigung lade ich Sie zur Pizza ein. Einverstanden?«
Dana lächelte. »Da sage ich nicht nein.«
»Aber nicht, dass Sie sich darauf was einbilden«, sah Ellen sich veranlasst hinzuzufügen. »Das ist nur meinem schlechten Gewissen geschuldet. Keine Sympathiebezeugung.«
»Natürlich.« Danas Lächeln vertiefte sich um eine Nuance. »Keine Sympathie.«
Ellen schwieg verwirrt. Irrte sie sich, oder lag da in Danas Blick eben ein kokettierendes Funkeln?
Die herantretende Bedienung lenkte Ellen von ihren Gedanken ab. Dana und sie gaben ihre Bestellung auf. Wieder unter sich, musterte Ellen die Journalistin nachdenklich. »Haben Sie nicht manchmal Angst, dass Ihre Arbeit Sie zynisch macht? Dass Sie gar nicht mehr anders können, als schlecht über die Menschen zu schreiben – und zu denken?«
Dana hob unbestimmt die Hände, ließ sie wieder sinken. »Zugegeben, ich stochere nicht selten im Bodensatz herum. Und was dabei zutage kommt, ist, wen wundert’s, schmutzig. Aber auch irgendwie faszinierend.« Ein Schatten zog über ihr Gesicht. »Manchmal frage ich mich allerdings auch, wie weit die Leute gehen würden, wenn ihnen niemand auf die Finger haut. Und ich meine damit nicht Borowski oder unser kleines Perleberg. Wo liegt die Grenze für Lügen und Doppelmoral . . . gibt es überhaupt eine?«
Ellen staunte. Dana so ernst? Das war ja ganz was Neues.
Und schon lächelte Dana wieder verschmitzt. »Im Grunde bin ich nämlich eine sensible Seele, wissen Sie.«
Ellen schüttelte resigniert den Kopf.
»Was ist mit Ihnen ?«, fragte Dana da. »In Ihrem Beruf ist es doch nicht viel anders. Leute verhören, Schwachstellen finden, Finger in die Wunde legen, rumdrehen. Menschliche Abgründe aufwühlen. Begegnung mit Gewalt, Hass, Missgunst. Ich kann Ihnen also dieselbe Frage stellen: Haben Sie keine Angst, dass Sie Ihr Job zynisch macht?«
»Nein«, antwortete Ellen wie von selbst. »Wenn mich etwas zynisch macht, dann das Leben.«
Es war raus. Mist! Ellen wusste sofort, dass es ein Fehler war. Sie wollte nicht darüber reden, ganz gewiss nicht. Erst recht nicht mit Dana Wegener.
»Das Leben?« Wie nicht anders zu erwarten, war Danas Neugier geweckt. »Eine bestimmte Sache oder Person besonders, nehme ich an.«
Einen verdammt guten Instinkt hatte Dana, das musste Ellen ihr zugestehen. Sie war der Bedienung dankbar, die in diesem Moment mit der Bestellung kam. So konnte Ellen ihren Teller beäugen, statt Dana ansehen zu müssen.
»Ihre Versetzung war eine Abschiebung«, riet Dana weiter, als sie wieder allein waren. »Strafversetzt von Berlin nach Perleberg. Hab ich recht?«
Ellen sah Dana nur düster an.
»Sie wollen nicht darüber reden?«
»Nein. Ich will damit einfach nur abschließen.«
Dana schnitt ihre Pizza an. »Okay«, sagte sie dabei. »Ich frage nicht weiter.«
Ellen schaute skeptisch. »Das können Sie?«
»Fällt mir schwer«, gab Dana zu.
Ellen verzog die Mundwinkel. Wird wohl nicht klappen, sagte ihr Gesichtsausdruck.
»Aber gut. Keine Fragen zur Versetzung«, bekräftigte Dana, hob sogar die rechte Hand und fügte hinzu: »Versprochen.«
Ellens Blick drückte nach wie vor erhebliche Zweifel aus.
Dana schüttelte mit dem Kopf. »Ihre Skepsis ist beinah schon beleidigend.« Sie setzte ein entsprechendes Gesicht auf, lächelte aber sofort wieder. »Sie reden wahrscheinlich generell nicht gern über Ihre Gefühle. Habe ich recht?« Und weil Ellen nicht gleich antwortete: »Geben Sie es ruhig zu.«
»Ich fasse es nicht. Jetzt spielen Sie sich tatsächlich noch als Psychologin auf.« Spott triefte in Ellens Stimme, beigemischt eine Spur Belustigung. »Überschätzen Sie Ihre Fähigkeiten nicht ein wenig?«
»Sie
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