Partnerin wider Willen
eindringlich an. »Deinen Eltern, die Martin vergöttern, deiner ganzen Umgebung sagen, dass sie das akzeptieren müssen? Und wenn sie das nicht tun, bist du stark genug, ihre vorwurfsvollen, verständnislosen Blicke zu ertragen und zu wissen, dass sie dein Tun missbilligen?«
»Wir leben im 21. Jahrhundert. Meine Familie wird damit klarkommen müssen. Und ich werde es auch.« Britta blieb fest. »Schließlich habe ich Freunde, die mich unterstützen werden.«
»Und wenn nicht?«
»Dann muss ich damit leben. Ellen, ich will dich!« Britta trat erneut an Ellen heran. »Du bist mir wichtiger als alle anderen.«
»Du denkst, du kannst deinen Kindern erklären, dass du jetzt eine Frau liebst. Aber Martin wird sie mit Lügen über uns vergiften, jedes Mal, wenn er sie sieht. Er wird eine Atmosphäre des Hasses schaffen. Du wirst irgendwann mir die Schuld daran geben.«
»Aber nein.«
»Ich hätte immer Angst davor.«
»Grundlos.«
Ellen seufzte. Verkehrte Welt, dachte sie dabei. Sie und Britta hatten diese Diskussion schon einmal geführt. Nur war sie, Ellen, es da gewesen, der alle Hindernisse überwindbar schienen, und Britta diejenige, die nicht daran glaubte. Was war in der Zwischenzeit passiert?
Plötzlich fiel Ellen Dana ein und dass sie verabredet waren. Sie würden zwar nur eine fruchtlose Diskussion miteinander führen, aber Ellen erschien im Moment alles besser, als hier zu sein und eine Entscheidung fällen zu müssen. Auch wenn Britta eben sagte, sie erwarte kein sofortiges Ja oder Nein. Ellen fühlte sich unbehaglich.
»Du . . . ich . . . ich habe jetzt eigentlich gar keine Zeit«, begann sie zu stottern. »Ich muss . . .« – eine verrückte Kleinstadtjournalistin vor sich selbst oder sonstwem schützen? ». . . noch mal los.«
»Darf ich hier auf dich warten?«, bat Britta.
»Äh, ja. Sicher. Fühl dich wie zu Hause.«
Britta lächelte weich.
Bevor Ellen die Wohnung verließ, ging sie noch einmal ins Bad. Dort drehte sie das kalte Wasser am Waschbecken auf und hielt ihr Gesicht unter den Hahn. Angenehme, frische Kühle traf ihre Schläfen. Leider auch ihr Haar in der Stirn und an den Seiten. Ellen griff nach dem Handtuch neben dem Waschbecken, um die nassen Strähnen trockenzureiben. Nun sah sie ziemlich zerzaust aus, wie ein Blick in den Spiegel verriet. Sie griff zum Kamm, um das Durcheinander zu ordnen. Wie einfach das war , dachte sie dabei. Ein Kamm, und alles liegt wie es soll. Warum gibt es keinen Kamm für Gefühle?
»Ah, da ist sie. Meine besorgte Beschützerin.« Dana zwinkerte Ellen zu. Der Spott in ihrer Stimme war gutmütig. Ellen glaubte sogar einen Anflug von Wärme in Danas Blick zu erkennen; doch während sie noch rätselte, ob das vielleicht nur Einbildung war, richtete Dana den Blick schon wieder auf den Schirm ihres Laptops, gefesselt von der Story, die sie gerade verfasste. »Danke übrigens, dass ihr beiden so gut mitgespielt habt. Ich dachte schon, ich würde auffliegen.«
»Keine Ursache. Hat irgendwie Spaß gemacht«, gestand Ellen wider Willen.
»Ich war kaum zehn Minuten bei meiner Malerrolle, da nahmen plötzlich gleich mehrere der Bauarbeiter die Beine in die Hand.« Dana kicherte, wurde aber umgehend wieder ernst. »Es geht um Schwarzarbeit, hab ich recht? War der Tote ein Schwarzarbeiter? Dann hatte er wesentlich mehr Pech als der Fliesenleger letzte Woche. Dem konnte die Ärztin helfen.«
Ellen wurde hellhörig. »Welche Ärztin?«
Dana setzte eine geheimnisvolle Miene auf. Sie holte ihr Handy hervor, tippte ein paar Tasten und zeigte Ellen das Display. Es war das Bild, das Dana ihr schon vor wenigen Tagen per SMS gesandt hatte.
»Simone Bergrath?«, fragte Ellen verblüfft.
»Genau. Na? Ist das ’ne Neuigkeit? Und ich teile sie mit dir!«
Ellen nickte. Danas Begeisterung teilte sie jedoch nicht – und das aus gutem Grund. »Dann könnte Simone Bergrath unsere Leiche sein.«
»Das war eine Frau?« Dana riss die Augen auf.
»Ja. Und was du sagst, passt zu unserer Theorie. Kessler beschäftigte illegale Arbeiter. Die Art, wie er mit dem Problem umging, wenn einer von denen einen Unfall hatte, entspricht seinen sonstigen Methoden. Er ließ den Betroffenen nur notdürftig behandeln. Erholte er sich, gut. Wenn nicht . . .«
Danas Gesicht zeigte Entsetzen. »Ist das dein Ernst? Die lassen die Leute einfach sterben?«
»Sieht so aus.«
»Das ist . . . ja der Hammer«, entfuhr es Dana. Offenbar war der erste Schreck vorüber, und
Weitere Kostenlose Bücher