Partnerin wider Willen
können nicht widersprechen. Angesichts dessen, was Ellen hier hörte, konnte sie sich leicht ausmalen, welche Anweisung Gerstäcker dem Bauleiter gegeben hatte: Alles auf Kessler schieben. Wie das ging, demonstrierte er gerade. Genau dieses Szenario hatte Ellen befürchtet. Gerstäcker war aalglatt, sie bekamen ihn einfach nicht zu fassen.
»Sind Sie denn in Ihren Ermittlungen zu Karls Tod weitergekommen?«, fragte Gerstäcker in ihre Gedanken hinein.
»Sagen wir mal so«, brummte Marco. »Wir konnten schon einige Verdächtige ausschließen.« Er machte eine Pause. »Sie allerdings nicht.«
Gerstäcker runzelte die Stirn. »Aber wie ich schon sagte, ich profitiere nicht von Karls Ableben. Der größte Teil der Firma gehört jetzt Ben. Vielleicht sollten Sie ihn mal näher beleuchten.«
»Ja«, sagte Ellen. »Das ist uns auch schon aufgefallen . . . dass Sie sehr eifrig sind, wenn es darum geht, anderen ein Motiv zu unterstellen.«
»Ich unterstelle niemandem etwas.«
»Nein. Sie sind nur bemüht, uns zu helfen. Nach unserer Erfahrung«, Ellen schaute zu Marco und nickte ihm kaum merklich zu, »sind es oft die Täter, die solch ein Verhalten an den Tag legen. Um von sich abzulenken.«
Marco hatte Ellens Wink sehr gut verstanden. »Es gibt sogar eine interne Polizeistudie«, behauptete er, »die sich eingehend mit diesem Thema beschäftigt und ein ziemlich genaues Profil solcher Täter zeichnet. Sie sind meist männlich, zwischen vierzig und sechzig, kultiviert und gebildet. Häufiger alleinstehend als in einer Partnerschaft. Sie lieben das Spiel, speziell das Risiko, und zeigen soziopathische Tendenzen. Aufgrund ihres psychoparadoxen Charakters halten sie sich für intelligenter als die Polizei.«
»Das ist ja sehr interessant«, erwiderte Gerstäcker ungerührt. Falls ihn das Schauspiel irgendwie beeindruckte, ließ er es sich nicht anmerken. »Haben Sie noch weitere Fragen an mich? Ansonsten würde ich Sie bitten zu gehen. Ich habe einen Termin.«
»Ja, ein, zwei Fragen sind da noch.« Ellen lächelte ungezwungen. »Wo waren Sie Samstagabend zwischen achtzehn und zwanzig Uhr?«
»Wieso fragen Sie das?«
»Ich bitte Sie. Es gab eine Tote auf einer Ihrer Baustellen. Es wundert mich, dass Sie hier so ruhig sitzen und nicht dort draußen sind.«
Gerstäcker schüttelte den Kopf. »Was kann ich dort tun, was ich nicht auch von hier aus könnte? Lohmann hat mich über den Schaden ins Bild gesetzt.«
»Über den Schaden . . . So nennen Sie das?«
»Wie soll ich es sonst nennen, wenn durch einen technischen Defekt eine Explosion auf meiner Baustelle passiert? Es tut mir leid, dass dabei jemand starb. Aber ich kann es nicht ändern.«
»Es handelt sich wahrscheinlich um keinen technischen Defekt«, unterbrach Marco den Disput. »Und der Heizungsraum war zum Zeitpunkt der Explosion verschlossen, was dafür spricht, dass jemand das Opfer dort abgelegt und dann die Explosion ausgelöst hat. Also, wo waren Sie, Herr Gerstäcker?«
»Ich habe gearbeitet, hier im Büro.« Gerstäcker zuckte mit den Schultern. »Allein. Niemand kann es bezeugen. Ich schätze, da bin ich jetzt verdächtig.« Er lächelte jovial. »Deshalb halten Sie es sicher auch für ein Ablenkungsmanöver, wenn ich Ihnen sage, dass der beauftragte Architekt eine Assistentin hat. Ob die ihn allerdings auf die Baustelle begleitet, entzieht sich meiner Kenntnis.«
»Lohmann erwähnte keine Assistentin.«
»Tja, dann war sie wohl in letzter Zeit nicht auf der Baustelle.«
»Geben Sie uns den Namen des Architekten und seine Telefonnummer.«
»Gern.« Gerstäcker griff zu seinem Handy und drückte ein paar Tasten. »Peter Wienert. 0171/262685840.« Ellen notierte alles – der Form halber. Doch wie Gerstäcker selbst erkannt hatte, hielt sie das Ganze tatsächlich für ein Ablenkungsmanöver. Sie bedeutete Marco, dass sie fertig waren. Das brachte hier nichts mehr, sagte ihr Blick. Marco nickte zustimmend.
Draußen im Treppenflur meinte Ellen: »Psychoparadoxer Charakter? Was ist das denn?«
Marco feixte. »Es sollte doch wissenschaftlich klingen. Meinst du, wir haben ihn nervös gemacht?«
»Sah leider nicht danach aus«, seufzte Ellen.
Ellen wollte kurz zu Hause vorbeifahren, um sich eine Kopfschmerztablette zu holen, bevor sie zu Dana in den Verlag fuhr. Dort hatte sie sich mit ihr für halb fünf verabredet, um Dana das Risiko ihres neuen »Jobs« auseinanderzusetzen. Dana hatte Ellen am Telefon ausgelacht, als die ihre Bedenken
Weitere Kostenlose Bücher