Partnerin wider Willen
andeutete, aber nichts dagegen gehabt, dass sie in den Verlag kam. »Dem Besuch einer schönen Frau werde ich mich nicht verwehren.« Ellen war kurz irritiert gewesen, ging dann aber über die Bemerkung hinweg und murmelte nur: »Bis später dann.«
Jetzt eilte sie die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf. Sie erreichte den Absatz zur zweiten Etage, bog um die Ecke, wollte die letzten Stufen schwungvoll in Angriff nehmen – und blieb wie angewurzelt stehen. Auf der untersten Stufe der Treppe zur nächsten Etage saß Britta. Sie erhob sich langsam.
»Ich habe die Kinder zu meiner Mutter gebracht. Ich werde nicht zu Martin zurückgehen«, sagte Britta.
Ellen starrte sie einige Sekunden wortlos an. Dann, als sei das wichtig, fragte sie: »Woher hast du meine Adresse?«
»Ich habe sie auf Martins Schreibtisch gefunden. Er spioniert dir hinterher.«
Das war keine Neuigkeit.
Es gelang Ellen, sich aus ihrer Erstarrung zu lösen und die letzten Stufen hochzusteigen. Sie schloss die Wohnungstür auf.
»Darf ich mit reinkommen?«, fragte Britta hinter ihr.
Ellen nickte, ohne sich umzusehen. Sie ging in die Küche, wo sie aus dem Kühlschrank eine Packung Apfelsaft nahm, sie öffnete und ein Glas eingoss. Dann nahm sie einen kräftigen Schluck des kalten Getränkes und massierte ihre Schläfen, um den Druck dort loszuwerden. Kopfschmerztablette, erinnerte sie sich. Sie war gekommen, um eine Kopfschmerztablette zu nehmen. Die brauchte sie jetzt umso mehr. Ellen ging ins Bad zum Apothekenschrank. Sie nahm die Tablette gleich am Waschbecken und verharrte.
Was wollte Britta hier? Was bedeutete das: Sie würde nicht zurückgehen? Hieß das, wonach es sich anhörte? Woher diese plötzliche Entschlossenheit? War es überhaupt wirklich Entschlossenheit? Oder nur ein weiteres Versprechen, das Britta brechen würde, sobald es schwierig wurde?
»Ich habe einen Fehler gemacht. Das weiß ich jetzt«, sagte Britta, als Ellen zurück in die Küche kam. »Ich weiß es schon lange. Ich war nur zu feige, das zuzugeben.«
Ellens Gesichtsausdruck drückte pure Zurückhaltung aus. Was Britta veranlasste, zu beteuern: »Es tut mir leid, dass ich so lange gezögert habe. Das war dumm von mir.« Sie wurde leiser. »Ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst.« Sie trat zu Ellen.
»Ehrlich gesagt, das weiß ich nicht«, erwiderte Ellen mit gemischten Gefühlen. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte sie auf genau diese Worte von Britta gewartet. Als sie noch in Berlin war. Jeden Tag, jede Stunde! Aber Britta war bei ihrem Mann geblieben, bei ihren Kindern, und hatte sie gehen lassen. Sie, Ellen, hatte nicht gebettelt. Vielleicht hätte sie das tun sollen. Aber es war ihr nicht richtig vorgekommen, Britta zu bedrängen. Sie sollte sich frei entscheiden. Und das hatte Britta getan.
»Ich verstehe, dass du überrascht bist. Ich überfalle dich ja quasi. Und natürlich erwarte ich nicht sofort eine Antwort von dir.« Britta kam näher. »Eine Chance . . . Gib mir bitte eine Chance. Mehr möchte ich nicht.«
Brittas Augen schwammen; eine Träne löste sich und rann über ihre Wange, wo sie eine feuchte Spur nach sich zog. Der ersten folgte eine zweite und dieser weitere. Britta schluchzte. Sie schlang ihre Arme um Ellen. Ellen brachte es nicht fertig, sie wegzuschieben. Was Britta dazu ermutigte, ihre Lippen über Ellens streifen zu lassen. Ellen schmeckte das Salz von Brittas Tränen.
»Britta, nicht«, bat Ellen leise. Doch Britta hörte es entweder nicht oder wollte nicht aufhören. Ihr stärker werdendes Drängen sprach eher für Letzteres. Ellen trat energisch einen Schritt zurück und schüttelte Brittas Arme ab, die erneut nach ihr griffen. »Nein!«, sagte sie nachdrücklich.
»Ellen, ich liebe dich. Und du . . . liebst mich doch auch.«
»Ich will nicht, dass das von vorn anfängt«, wehrte sich Ellen. Brittas Sinneswandel wäre für sie vor wenigen Wochen noch der Inbegriff des Glücks gewesen. Doch in diesem Moment empfand sie nur Ratlosigkeit, beinah Abwehr. Wahrscheinlich war es der erlittene Schmerz, der sie so zurückhaltend sein ließ. »Mir ging es hundsmiserabel, als du mich alleingelassen hast. Noch einmal halte ich das nicht aus.«
»Ich werde dich nicht wieder verlassen«, versprach Britta.
»Wirklich?« Ellen brachte etwas mehr Abstand zwischen sich und Britta. »Du willst dein Leben von Grund auf ändern? Dich scheiden lassen, gegen Martin kämpfen, der versuchen wird, dir die Kinder wegzunehmen?« Sie sah Britta
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