Partnerin wider Willen
»Die Brücke führt ganz in der Nähe des Stadtparks über den Fluss.«
Ellen bedeutete ihm, wieder in den Wagen zu steigen. Jammern nutzte nichts. Ja, es waren kostbare Tage vergangen. Tage, an denen die Spuren am Tatort vielleicht verwischt worden waren. Aber vielleicht auch nicht. Sie rief die KTU an.
Marco telefonierte ebenfalls. »Hm . . . okay . . . alles klar. Tschüss.« Er steckte sein Handy in die Tasche und sah Ellen an. »Das Brandopfer ist identifiziert. Es ist Simone Bergrath.«
Ellen seufzte. »Die Nachricht wird Gruber den Rest geben.«
»Ich habe mich krankgemeldet. Solange ich nicht weiß, was mit Simone ist, kann ich mich nicht auf den Dienst konzentrieren«, empfing Gruber sie. »Haben Sie sie gefunden?«
Ellen sah Marco an. Diesmal bist du dran, sagte ihr Blick. Marco schlug vor, ins Wohnzimmer zu gehen. Das ernste Gesicht, das er dabei machte, und die Tatsache, dass er im Wohnzimmer Gruber bat, sich zu setzen, sorgten für Anspannung im Raum.
»Herr Gruber, ich fürchte, wir haben schlechte Neuigkeiten«, begann Marco.
Gruber schluckte. Er ahnte, was kommen würde, das sah Ellen ihm an. Dennoch war es ein Schock für ihn, als Marco mit seinen Worten die Ahnung in Gewissheit verwandelte. Gruber beugte sich in seinem Sessel vor und hob die Hände vors Gesicht.
»Dieses Schwein«, presste er hervor. » Er hat ihr das angetan. Er ist genauso schlimm wie Kessler.«
»Wer?«, fragte Ellen.
»Gerstäcker«, knurrte Gruber. »Wer sonst? Sie wollte sich mit ihm treffen. Ich hätte darauf bestehen sollen mitzugehen, aber sie sagte, sie schaffe das allein. Ich solle mir keine Sorgen machen.«
Ellen und Marco tauschten unbemerkt einen Blick, nickten einander zu. Auch wenn die Umstände bedauerlich waren – endlich kamen sie vorwärts.
»Weshalb wollte Frau Bergrath sich mit Gerstäcker treffen?«, fragte Ellen.
»Sie . . .« Gruber hielt inne, offenbar unschlüssig.
»Hatte es etwas mit den illegalen Arbeitern zu tun?«
»Sie wissen davon?«, fragte Gruber erstaunt.
»Ja. Wir wissen, dass Frau Bergrath für Kessler verletzte Illegale behandelte.«
Gruber nickte bestätigend. »Ja, aber Simone wollte da nicht mehr mitmachen. Sie hat es eigentlich nie gewollt.« Er fuhr sich durchs Gesicht. »Simone rutschte in die Sache rein, als sie mit Kessler zusammen war. Damit meine ich nicht die Wochen unserer Trennung. Sie war schon früher mit Kessler liiert, vor mir. Und sie kam nicht von ihm los.« Gruber lachte böse auf. »Nicht seines charmanten Wesens wegen, wie Sie sich ja denken können. Der Mistkerl hat sie erpresst. Er würde dafür sorgen, dass sie ihre Zulassung verliert.« Grubers Stimme zitterte vor Wut und Trauer. »Kessler war ein Fiesling durch und durch. Als Simone sich in mich verliebte, verweigerte sie trotz Kesslers Drohungen ihre Mitarbeit. Die Sache mit meinem Haus, in dem wir eine Gemeinschaftspraxis einrichten wollten, hat Kessler gemacht, um Simone zu zeigen, dass ihr Leben so oder so von ihm bestimmt wird. Ich wusste damals noch nichts von all diesen Dingen. Simone warnte mich zwar vor Kessler, aber über die Hintergründe schwieg sie. Um Kessler von weiteren Gemeinheiten abzuhalten, ging sie sogar zu ihm zurück.«
»Und als Kessler tot war, dachte sie, sie sei nun endlich frei«, riet Ellen.
Gruber nickte kraftlos. »Aber da hatte sie die Rechnung ohne Gerstäcker gemacht. Der sagte ihr knallhart, dass er jetzt Kesslers Position einnähme und alles unverändert weiterginge. Nichts änderte sich, nur die Person, die Simone erpresste. Erst da hat sie mir alles gebeichtet. Ich hätte sie nicht allein zu Gerstäcker fahren lassen dürfen.« Gruber starrte blicklos vor sich hin.
»Was wollte sie denn bei ihm?«
»Es gab schon wieder einen Unfall. Simone sagte, es würde das letzte Mal sein, dass sie da mitmachte. Das würde sie Gerstäcker klarmachen.«
Ellen hätte noch gern gewusst, wann genau es war, dass Simone Bergrath das erste Mal mit Kessler liiert gewesen war. Vielleicht hatte sie ja Gruber gegenüber etwas über den Toten erwähnt, den Kessler vor zehn Jahren im Wald abgelegt hatte. Doch der Moment war denkbar schlecht geeignet, Gruber danach zu fragen. Er musste erst einmal zur Ruhe kommen, um klare Gedanken fassen zu können.
»Wir haben Gerstäcker«, freute sich Marco. Vielleicht war es auch die Freude, der gedrückten Stimmung in Grubers Wohnung entkommen zu sein.
»Nicht so überschwänglich«, dämpfte Ellen seinen Optimismus. »Wir haben
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