Partnerin wider Willen
auch hier keine Beweise. Lediglich die Aussage, dass das Opfer sich mit ihm treffen wollte. Die Aussage eines Dritten, der noch dazu auf Gerstäcker genauso schlecht zu sprechen ist, wie er es auf Kessler war. Gerstäcker wird behaupten, das Treffen mit Simone Bergrath hätte nicht stattgefunden.«
»Aber das ist doch völlig unglaubwürdig.«
»So?«
»Ja. Wer sonst, wenn nicht Gerstäcker, hatte einen Grund, Simone Bergrath zu töten? Dann noch ausgerechnet auf der Baustelle?«
»Ein illegaler Arbeiter zum Beispiel, der nach ihrer Behandlung ein Handicap zurückbehielt. Für einen solchen Mann ist Arbeitsunfähigkeit eine Katastrophe. Wenn ich Gerstäckers Anwalt wäre, würde ich so argumentieren. Und ich würde sagen, dass die Anhäufung von Indizienbeweisen keine Fakten ersetzt.«
»Ja, was muss denn noch alles passieren?«
Unter anderem diese Frage Marcos war es, die Ellen ein komisches Gefühl im Magen bescherte. Dass Dana sich auf dieser verdammten Baustelle herumtrieb, gefiel ihr gar nicht. Sie würde noch mal mit Dana reden. Sicher war sie abends wieder im Verlag.
Auf dem Weg zurück ins Büro erreichte Marco und Ellen die Nachricht vom Labor, dass die Farbprobe vom Brückenlack mit den Farbspuren, die in Kesslers Risswunde gefunden worden waren, übereinstimmte. Des Weiteren hatten die Techniker die Stelle gefunden, an der Kessler sich verletzt hatte. Blut und Haut klebten an ihr. Direkt daneben dunkle Stofffasern. Die genaue Analyse aller Proben würde bis morgen Mittag dauern. Aber wenn die Fasern nicht zu Kesslers Sachen passten, dann mussten sie von der Kleidung der Person stammen, die Kessler über das Brückengeländer »geholfen« hatte. Denn ein versehentlicher Stoß war an dieser Stelle ausgeschlossen. Der Aufprall auf das Wasser in Kombination mit Kesslers angeschlagenem Zustand hatte sehr wahrscheinlich zu einer Ohnmacht geführt.
»Morgen früh holen wir vom Staatsanwalt einen neuen Durchsuchungsbeschluss. Gerstäcker wird uns nicht mehr los«, grunzte Marco zufrieden.
Ellen wusste, dass Britta auf sie wartete. Sie wusste auch, dass sie das Treffen nicht ewig hinauszögern konnte. Aber sie fühlte sich noch nicht in der Lage dazu. Mehr noch, sie hatte den ganzen Tag erfolgreich alle Gedanken daran verdrängt.
Außerdem ist es jetzt wichtiger, zu Dana zu fahren. Sie musste noch mal mit ihr reden. Sie irgendwie von dieser Baustelle fernhalten. Jetzt, wo durch Grubers Aussage feststand, dass Gerstäcker gefährlich war, höchstwahrscheinlich mordsgefährlich, wäre es fatal, wenn er Dana auf der Baustelle begegnete. Er würde doch sofort vermuten, dass Dana ihm auf der Spur war. Und wer wusste, was er dann tat.
Ellen seufzte. Das Problem war, Dana würde sich natürlich erneut weigern, auf sie zu hören. Und sie konnte Dana nicht sagen, wer ihr Hauptverdächtiger war, damit sie sich wenigstens verdrückte, falls der auftauchte. Verdammt!
Ellen parkte den Wagen vor dem Verlag.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte ein untersetzter Mann, als sie das Büro betrat. »Ich bin Frank Veit, der Chefredakteur.«
»Ich möchte Frau Wegener sprechen.«
»Dana kommt in etwa einer halben Stunde. Wollen Sie warten?« Veit musterte Ellen. »Sind Sie nicht die neue Kommissarin? Sie sind doch vor ein paar Tagen hier reingestürmt und . . .«
»Ja«, unterbrach Ellen den Mann mit einem Blick, der sagte: Unnötig, diese Episode aufzufrischen. »Aber heute habe ich keine Mordgedanken«, versicherte sie.
Veit lachte. »Na, dann können Sie in Danas Büro raufgehen. Die Polizei wird ja wohl nichts mitgehen lassen.«
»Danke.« Ellen ging den ihr mittlerweile bestens bekannten Weg. In Danas Büro sah sie sich unschlüssig um.
Ein Mädchen kam herein. Sie hielt einen Hefter in der Hand. »Dana nicht da?«, fragte sie.
»Kommt gleich«, erwiderte Ellen.
»Okay, ich lasse das hier auf ihrem Schreibtisch. Sie muss nur noch unterschreiben.« Das Mädchen ging an Ellen vorbei, legte die Mappe ab und huschte wieder hinaus.
Ellen schlenderte gelangweilt zum Schreibtisch. Lupfte neugierig den Aktendeckel etwas. Vertragsklauseln blickten sie an. Ellen wollte den Deckel schon fallen lassen, als ihr ein Name ins Auge sprang. Kranz.
Ellen stutzte und hob den Deckel ganz an. Bis sie erfasste, dass dieser Vertrag dem Verlag eine Story sicherte, die er von Martin Kranz für 500 Euro kaufte, verging nur eine halbe Minute. Zu begreifen, dass Dana sie komplett belogen hatte, dauerte länger.
Mach dir keine Sorgen
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