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Partnerschaft und Babykrise

Partnerschaft und Babykrise

Titel: Partnerschaft und Babykrise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schmidbauer
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Münchner Zwillinge, deren Vater unter dringendem Verdacht einer Körperverletzung mit Todesfolge an seiner fünf Monate alten Tochter verhaftet wurde, ist von Beruf Psychologin. Sie verweigert auf Anraten ihres Anwalts die Aussage. Aber es liegt nahe, einen Zusammenhang ihrer perfektionistischen Vorstellungen über den Umgang mit Babys mit der Entgleisung des Vaters herzustellen.
    Die Mutter hat von ihm erwartet, sich als emanzipierter Vater zu verhalten und dem schreienden Kind jedes seelische Trauma zu ersparen. Und während er im Beruf die schwierigsten Probleme lösen konnte, scheitert er erbärmlich an diesem Baby.
    Er unterdrückt seine Wut und macht weiter. Er darf doch in seinen und in den Augen seiner Frau nicht als ein schlechter Vater erscheinen, darf nicht zugeben, dass die bezahlte Kinderfrau, die Angestellte einer Kinderkrippe bekömmlicher wäre für sein eigen Fleisch und Blut! So fällt ihm schließlich ein, das Schreibaby, das ihn zum Versager stempelt, zu packen und zu schütteln. »Jetzt sieh endlich ein, dass ich ein guter Vater bin, jetzt sei endlich zufrieden und dankbar für meine Mühen!«
    Um auf die Welt zu kommen, haben gesunde Säuglinge jede Menge Probleme in dem unheimlich komplizierten Geschehen
einer Schwangerschaft bewältigt. Sie sind jetzt gerüstet, den Krieg gegen eine womöglich gleichgültige, unentschlossene Welt anzutreten. Sie haben nur wenige Waffen. Sie können strampeln. Und sie können schreien, schreien, schreien. Bis sie den Eltern glauben, dass diese es wirklich gut mit ihnen meinen, vergehen Monate und manchmal Jahre. Bis dahin verhalten sie sich cholerisch, jähzornig und misstrauisch.
    Ein Säugling ist wie Urlaub auf Irland. Es regnet meistens, aber wenn dann doch die Sonne scheint, ist es einfach bezaubernd. Wer Kinder schreien lässt und kalt behandelt, friert den Sumpf ein, in dem Eltern stecken bleiben, die sich selbst nicht verlieren und doch dem Kind gerecht werden wollen. Er mag das Gefühl gewinnen, die Situation zu beherrschen, aber er lernt auch diese kurzen Glücksmomente nicht kennen.
    In der Theorie wünschen sich beide Eltern ein zufriedenes Baby, ohne selbst unzufrieden und unglücklich zu werden, weil sie sich vom Partner im Stich gelassen fühlen. In der Praxis aber sorgen die müden Väter und die überlasteten Mütter dafür, dass ihr Liebeskonzept unter dem Babygeschrei zerspringt wie die Weckgläser im Schreien des Helden der »Blechtrommel«.
    Es gibt Versprechungen, die Menschen in Krisen schutzlos lassen, ebenso wie Vergleiche, die Menschen auf Krisen vorbereiten. Ein solcher Vergleich stammt von Sigmund Freud, der gesagt hat, die Kultur würde Kinder so gut auf das Sexualleben der Erwachsenen vorbereiten wie jemand, der Menschen in Sandalen und Sommerkleidern auf eine Polarexpedition schickt.

    Ähnliches lässt sich über das Zusammenleben mit einem Baby sagen: Die Versprechungen hören sich an, als reise man nach Florida und nicht nach Irland, ziehe in einen Urlaub und nicht in einen Krieg.
    Gegen die sozialen Klischees der aufopfernden, der perfekten Mutter hat der britische Kinderarzt und Psychoanalytiker Donald W. Winnicott das Konzept der good enough mother gesetzt, der Mutter, die Fehler macht, aber insgesamt gut genug ist. Das ist ein lebensnahes Konzept. Eine perfekte Mutter, die in panischer Angst lebt, eines ihrer Kinder könnte jemals mit ihrer Bemutterung unzufrieden sein, lässt Familienfeste zu einem Albtraum werden, so lange die Kinder ebenso humorlos bleiben wie sie.
    Auch die kriegerischen Metaphern übertreiben. Während der Urlaubsgedanke jedoch nahelegt, die Zeit mit dem Baby möglichst ungestört und alleine zu genießen, leitet der Vergleich mit dem Krieg uns an, strategisch zu denken, Rückzugsmöglichkeiten einzuplanen, Reserven vorzuhalten und vor allem für Wachablösung zu sorgen, ehe Schlafmangel und Unkonzentriertheit in die Niederlage führen.

    Diese Niederlage ist eine Niederlage der Ehe so gut wie eine Niederlage in der Beziehung zum Kind. Perfektionistische Eltern, die sich gegenseitig für ihr Scheitern verantwortlich machen, sind für Kinder eine schwere Last. Scheidungen, mehr noch Entwertung eines Elternteils, belasten Kinder stärker als rechtzeitige Fremdversorgung. Ein Partner, der aufgeweckt nach Hause kommt und Energiereserven
mobilisiert, ist ein Schatz für jede Familie. Und Eltern, die gelernt haben, sich gegenseitig zu schätzen, vermitteln dem Kind Zuversicht für sein künftiges Leben.
    Im

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