Partnerschaft und Babykrise
Bund das Vierte
Wer ein Kind »hat«, tritt in eine neue Phase seines Lebens. Es gibt zwischen Geburt und Tod vielleicht kein Ereignis, das eine derart ausdrucksvolle Zäsur setzt. Die menschliche Spezies hätte nicht überlebt, wenn sich nicht körperliche und seelische Entwicklung auf genau dieses Geschehen vorbereiten und zuspitzen würden. Wer sich ihm entziehen will, muss nachdenken und sich genau kontrollieren. Von ihm überwältigt zu werden kostet keinerlei Mühe, es macht sogar Spaß – und Angst.
Wenn ein Paar diese Angst überwunden, sich für ein Kind entschieden, Schwangerschaft, Geburt und Babyphase durchgestanden hat, steht es vor einer neuen Entscheidung: Soll es bei einem Kind bleiben?
Wie das ganze Entscheidungsdrama zwischen Zeugung und Geburt spiegelt auch dieses die Lasten, welche der wissenschaftlich-technische Fortschritt einer menschlichen Psyche aufbürdet, die viel besser gerüstet ist, äußere Gefahren zu bewältigen als innere Ängste zu verarbeiten. Präsente Gefahren sind sinnlich wahrnehmbar. Sie wecken Kräfte, ihnen zu begegnen, Erfolgserlebnisse, wenn das gelingt. Ängste hingegen lassen, wie der Hydra des Mythos, einer eben durchdachten Gefahr zwei nachwachsen.
Besonders dramatisch sind Krisen durch das zweite Kind, wenn die Eltern überzeugt waren, sie hätten die Aufgaben doch tadellos bewältigt, vor die sie durch das erste Kind gestellt wurden. Wer den Umgang mit Menschen ähnlich konstruktivistisch sieht wie den Bau eines Hauses (»wir arbeiten an unserer Beziehung!«), wird sich angesichts des zweiten Kindes in der Illusion wiegen, er könne jetzt besonders gut machen, was beim ersten Mal aus Unerfahrenheit missriet.
Einzelkinder gelten oft (aber ohne wissenschaftlichen Nachweis) als schwierig und »egoistisch«. Vermutlich hält es selten einer Überprüfung stand, die Eltern hätten aus pädagogischen Gründen dem Erstgeborenen Geschwister verschaffen wollen. Glaubhafter scheint der Wunsch, sich weniger abhängig vom Gedeihen eines einzigen Kindes zu fühlen und generative Potenz zu beweisen. Wie dem auch sei – das zweite Kind bringt unerwartete Komplikationen.
Nach dem ersten Kind habe ich bald wieder angefangen zu arbeiten und habe eigentlich gar nicht wahrgenommen, dass mein Leben wirklich unterbrochen worden war, dass eine neue Phase begonnen hatte. Es ist ja auch leichter, ein Kind bei einer Freundin oder den Großeltern unterzubringen. Ich wollte nicht, dass Katharina als Einzelkind aufwächst, sie wünschte sich auch einen Bruder, seit sie reden konnte. So haben wir den Markus bekommen. Seither ist alles anders. Jetzt habe ich das Gefühl, ich bin nur noch Mutter. Ich habe nach der zweiten Schwangerschaft nicht mehr abgenommen wie nach der ersten, die Arbeit, die zwei Kinder machen, ist viermal so viel wie die
durch Katharina – so kommt es mir wenigstens vor. Ich kenne mich selbst nicht mehr. Ich bin niedergeschlagen, ich fühle mich asexuell und unattraktiv, ich denke, dass mich mein Mann nicht versteht. Ich sitze in meinem Leben wie in einer Falle.
So eine 35-Jährige, die bis zur zweiten Schwangerschaft zusammen mit ihrem Partner eine erfolgreiche Werbeagentur geführt hat. Wie andere Frauen in ihrer Lage kann sie sich nicht erklären, weshalb sie die zweite Schwangerschaft als so viel einschneidender empfindet. Ihr Erleben ist kein Einzelfall. Viele Paare berichten, dass ihre Liebesbeziehung durch das erste Kind längst nicht so belastet worden sei wie durch das zweite. Einige sagen sogar, das erste Kind habe die Partnerschaft nicht angetastet. Verglichen mit den Belastungen nach dem zweiten Kind habe das erste wenig verändert und die Ehe sogar gefestigt.
In anderen Fällen hatten Partnerschaft und Erotik bereits unter dem ersten Kind sehr gelitten, sodass das Paar ein zweites Kind eher als Ablenkung oder als Versuch sah, auch unter widrigen Umständen die Familie nicht nur notdürftig zu erhalten, sondern zu vervollständigen. Manchmal wurde die bereits verlorene Erotik neu belebt, um dieses Ziel zu erreichen. Nach dem Eintreten der zweiten Schwangerschaft geht die gemeinsame Sexualität dann endgültig verloren und wird nicht wieder aufgenommen.
Aus den Paaranalysen Betroffener lassen sich Faktoren ableiten, die einzeln oder in Kombinationen die Belastung durch das zweite Kind ausmachen:
»Jetzt sind wir eine richtige Familie!« Während nach der ersten Schwangerschaft die Mutter improvisiert, das Baby öfter bei Freundinnen und Großeltern
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