Partnerschaft und Babykrise
Ehemanns, ihren geliebten Beruf aufzugeben, die Familie zu zerstören: Sobald der bisher sanfte und verständnisvolle Partner eine aus seiner Sicht harmlose Drohung äußerte, (»Wenn du das nicht verstehst, kann ich mich ja gleich aufhängen!
«) verknüpfte sich die kindliche Angst der Kranken mit der aktuellen Familiensituation.
Das Ideal der Familie kann destruktiv werden. Solange wir nur ein Kind haben, sind wir – bewusster Kummer, unbewusste Entlastung – noch keine »richtige« Familie. Die richtige Familie soll durch erhöhte Ansprüche an Glück, Harmonie und Geborgenheit, als Abkehr von Provisorium, Bastelei und sich Durchwursteln hergestellt werden.
Diese Erwartungen prallen auf eine Vielzahl von Stressfaktoren, welche die provisorisch um ein Kind organisierte Familie nicht kennt. Während die Ansprüche an Geborgenheit und Harmonie hochgeschraubt wurden, verlangt die Bewältigung der Geschwisterrivalität und die stärkere Profilierung des für die Kinder »zuständigen« Partners eigentlich sehr viel mehr als das Leben mit einem Kind nach Toleranz für Unvollkommenheiten.
Nach der Geburt des ersten Kindes sind zwei Entwicklungen möglich. In dem bisher hier beschriebenen Problemfall bindet sich ein Elternteil so eng an das Kind, dass sich der zweite ausgeschlossen fühlt, sich emotional von dieser Symbiose abspaltet und für neue Beziehungen öffnet.
Wie bedeutungsvoll dieser Fall ist, erweisen die bereits zitierten Statistiken. Oft aber verkraften Eltern das erste Kind scheinbar gut und scheitern erst am zweiten. Die Paaranalyse zeigt dann, dass es beiden Eltern gelungen war, sich an das Kind zu binden. Es lag zwar zwischen ihnen im Ehebett, aber beide Partner empfanden es als so große Bereicherung, dass es die Beziehung festigte. Die Enttäuschungen und Entzugserscheinungen durch den Verlust der bisher zwischen den
Partnern fließenden Bestätigung machten die Bindungsangebote des Neuankömmlings wett.
Wenn nun das zweite Kind geboren wird, differenzieren sich die symbiotischen Kreise erneut. Beim ersten Kind gab es nur eine Möglichkeit, nur ein Kind, das alle Faszination an sich zog, welche die Dramatik von Zeugung, Schwangerschaft, Geburt und kindlicher Entfaltung auf das menschliche Gefühlsleben ausübt. Wenn die Eltern ihre Erlebnissphäre ausweiten wollten, hatten sie nur ein und daher auch ein gemeinsames Objekt.
Zwei Kinder, zwei Eltern, zwei Symbiosen – diese Szene ist nach der Geburt des zweiten Kindes zumindest eine Denk-und Fühlmöglichkeit. War das erste Kind der Magnet, der die Eltern zusammenhielt, so entsteht jetzt die Möglichkeit, dass jeder Elternteil seinen eigenen Magneten gewinnt und mit ihm eine Einheit bildet. In vielen Partnerschaften werden dann die Kinder angesichts der Aufgaben nach einer zweiten Geburt »verteilt« – der Vater kümmert sich um das »große«, die Mutter um das »kleine« Kind. Das ist vor allem dann eine brisante Mischung, wenn diese Symbiose ein aggressives Bündnis gegen die neu entstandene Symbiose richtet.
Rational gesehen sind beide Eltern dafür verantwortlich, dass ein erstgeborenes Kind jetzt mit einem Rivalen um die Aufmerksamkeit der Erwachsenen ringen muss. Aber nicht selten einigen sich der oder die Erstgeborene und »dessen« Elternteil darauf, dass dem Rivalen viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Sie verbünden sich. Die Familie zerfällt
in zwei Symbiosen, die miteinander konkurrieren und um die Macht ringen.
Wenn das Erwachsenenprivileg der erotischen Bindung zwischen Vater und Mutter bereits instabil war, ist es jetzt vollends gefährdet. Dann erscheint es den Gatten »praktisch«, dass der Vater mit einer Tochter im Kleinkindalter im Kinderzimmer schläft. So kann die Mutter den Säugling nachts in ihr Bett nehmen und stillen, ohne jemanden zu stören.
Wer die Verluste an Nähe zwischen Eltern und damit die Vorboten des drohenden Scheiterns der Partnerschaft am Kind genauer untersucht, entdeckt spezifische Illusionen um das zweite Kind. Wie wir gesehen haben, fühlen sich Frauen oft erst nach der Geburt des zweiten Kindes auf die Rolle der Mutter festgelegt. Das trifft ein Paar besonders hart, wenn es sich von der zweiten Schwangerschaft eine Heilung des Defizits durch die erste erwartet hat.
Berichte von Eltern, dass zwei Kinder mehr als die doppelte Arbeit machen, stehen in krassem Gegensatz zu solchen Erwartungen. Vom Verlust der unbewussten Symbiose mit dem Partner verletzt, hoffen die Eltern, der
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