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Partnerschaft und Babykrise

Partnerschaft und Babykrise

Titel: Partnerschaft und Babykrise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schmidbauer
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berufstätigen Mutter.
Am drittbesten gedeihen die professionell betreuten Babys einer unzufriedenen berufstätigen Mutter.
Am schlechtesten entwickeln sich Kinder, die einer unzufriedenen Mutter ausgeliefert sind.
    An dieser Einteilung irritiert ein schwer fassbares Kriterium wie »Zufriedenheit«. Das sollte uns nicht davon abbringen, dieses zu verwenden, denn im Alltag der Erziehung bzw. des Zusammenlebens mit Kindern geht es genau darum. Zufriedenheit ist sozusagen eine Nullstellung, eine Basis, von der aus die einzelnen Krisen des Alltags eingeschätzt und bewältigt werden können. Wer zufrieden ist, kommt periodisch zu einem Zustand, der in der Biologie Homöostase genannt wird: dem Gleichgewicht mit seiner Umwelt, in dem Wachstum und Regeneration ungestört stattfinden.
    Wer im großen Ganzen zufrieden ist, kann diesen entspannten Zustand, die Mitte zwischen der manischen Verleugnung des nicht ganz Guten und der depressiven Verleugnung des nicht ganz Schlechten immer wieder herstellen. Niemand ist völlig frei von Stimmungsschwankungen, aber so lange immer wieder eine Mitte gefunden werden kann, ist es auch möglich, diese zu verarbeiten. Es gibt einen Unterschied zwischen Normalität und Ausnahme, zwischen Krise und Katastrophe,
zwischen dem wirklich gültigen Wort und dem in einer Laune übertriebenen.
    Zwischen Eltern und Kind heißt das: Die Eltern können erkennen, dass ihr Kind zwar nicht alle ihre Idealvorstellungen erfüllt, aber auch nicht alle ihre Albträume.

    Wenn Familien Humor entwickeln können, ist das ein recht verlässliches Zeichen für die Möglichkeit einer solchen Mittellinie zwischen Überschätzung und Unterschätzung. Dann wird es möglich, dass Adoleszente beispielsweise sagen, wenn sich der Vater über ein schlechtes Zeugnis aufregt, »es könnte doch auch viel schlimmer sein!« Oder die Siebzehnjährige darf die Vorwürfe der Mutter, weil sie später als versprochen und angetrunken von einem Fest nach Hause kommt, mit der Bemerkung quittieren: »Andere trinken noch viel mehr und werfen auch noch Tabletten ein!«
    Und ebenso können die Eltern reagieren, wenn sie Vorwürfe treffen, dass sie im Bayerischen Wald und nicht in der Dominikanischen Republik Urlaub machen – »andere Kinder haben überhaupt keinen Urlaub!«
    In J.R.R. Tolkiens Roman »Der Herr der Ringe« wird im ersten Band »Die Gefährten« beschrieben, wie die Gemeinschaft des Ringes aufbricht, um das Böse zu vernichten. Der weise Elrond sagt: »Je weiter ihr geht, umso weniger leicht wird es sein, zurückzukommen; dennoch wird euch kein Eid und keine Verpflichtung auferlegt, weiter zu gehen, als ihr wollt. Denn noch kennt ihr nicht die Stärke eurer Herzen
und könnt nicht voraussehen, was jedem von euch auf der Straße begegnen mag.«
    Damit ist einer der Gefährten, der Zwerg Gimli, nicht zufrieden. »Treulos ist, wer Lebewohl sagt, wenn die Straße dunkel wird«, protestiert er.
    »Vielleicht«, entgegnet Elrond. »Aber lasst denjenigen nicht geloben, im Dunkeln zu wandern, der den Einbruch der Nacht nicht gesehen hat.«
    »Doch mag ein geschworenes Wort das zitternde Herz stärken«, sagt hartnäckig der Zwerg.
    »Oder es brechen«, entgegnet wiederum der Weise. Dann entlässt er die Wanderer.
    Dieser Dialog zeigt die Problematik des Perfektionismus.
    Die Liebe zwischen Eltern und Kindern ist vielleicht noch stärker als die Geschlechterliebe von perfektionistischen Vorstellungen belastet. Die selbst auferlegte Verpflichtung orientiert sich nicht an Handlungen, sondern an Gefühlen: Das eigene Kind »immer zu lieben«, von diesem auch »mehr geliebt zu werden alles jede(r) andere« werden zum emotionalen Zwang, der durch bedrückende Fühl- und Denkverbote aufrechterhalten wird.
    Menschenmöglich und erstrebenswert ist es, Handlungen zu unterlassen, welche den eigenen Kindern schaden. Aber niemals wütend, neidisch oder rachsüchtig zu sein – das ist eindeutig zu viel verlangt. Daher ist auch das »aufopfernde« Verhalten, das manchmal von Festrednern als mütterliche Qualität gepriesen wird, ein hochproblematischer Wert.
    Aufopferung zu fordern ist ein Instrument der Machtausübung. Der General fordert sie von den Soldaten angesichts
des Feindes; der Familienpolitiker von den Müttern. Stabile Beziehungen und seelische Zufriedenheit beruhen auf Austausch. Wer von sich und anderen Aufopferung fordert, respektiert dieses Bedürfnis nicht genügend und befürwortet instabile Zustände.

    Die Mutter der

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