Party Girl - Roman
nachzudenken, »kannst du kurz mit reinkommen. Es ist niemand da.«
Mirko schaute an dem Haus empor. Es hatte drei Stock werke.
»In welchem Stock wohnst du?«, fragte er.
»Im zweiten.«
»Gibt es einen Aufzug?«
Mona schüttelte den Kopf.
»Schade«, sagte Mirko, »zwei Stockwerke schaffe ich nicht.«
»Was?« Mona starrte ihn fassungslos an.
Mirko lachte. Er beugte sich vor und küsste sie. Nicht auf den Mund, wie das letzte Mal, sondern auf die linke Wan ge.
»War ein Witz«, sagt er. »Natürlich komm ich noch mit rein.«
Sie schloss die Tür auf. Er nahm ihr die Tasche ab.
Als sie im ersten Stock waren, kam ihnen ein schmaler Typ in Rennradkleidung und mit verwuschelten blonden Haaren entgegen.
Er blieb stehen und lächelte Mona und Mirko freundlich an.
»Das ist ja genial!«, rief er. »Dann kann ich mich ja gleich vorstellen.«
»He. Ja. Genial«, wiederholte Mirko, es hörte sich an, als wenn er bittere Galle schlucken müsste.
Der Radfahrer reichte erst Mona und dann Mirko die Hand. Mona spürte, dass Mirko das irgendwie abartig fand, einem Jungen in seinem Alter die Hand zu geben.
»Ich bin Dominik«, sagte er. »Wir sind die Neuen aus dem dritten Stock. Meine Eltern sind ja schon vor zwei Wochen eingezogen, aber ich bin gestern erst aus dem College ge kommen.« Wenn er lächelte, bildete sich ein Grübchen in seiner rechten Wange.
Mona nannte ihren Namen. Als Mirko keine Anstalten machte, sich vorzustellen, sagte sie schnell: »Und das ist Mirko.«
»Hallo Mona, hi Mirko«, sagte Dominik, »freut mich, dass hier nicht nur alte Leute wohnen.«
»Mirko wohnt nicht hier«, sagte Mona hastig, »er ist...«
». . . ihr Freund.« Mirko legte seinen Arm um Monas Schulter, das wirkte irgendwie besitzergreifend und auch so, als wolle er gleich ein paar Dinge klarstellen. Mona verspür te eine winzige Sekunde lang den Wunsch, sich aus seinen Armen zu befreien. Es kam ihr unpassend vor, dass Mirko sie ausgerechnet jetzt umarmte, irgendwie angeberisch. Aber andererseits war es eben auch toll, wenn man auf ein mal den Arm eines Jungen um sich spürte. Und jemanden hatte, der zu einem gehörte. Mona war so lange allein gewe sen. Ein behütetes Einzelkind eben.
Dominik lächelte. »Super«, sagte er.
»Ja, total genial.« Die Ironie in Mirkos Stimme war nicht zu überhören.
Dominik hob irritiert die Augenbrauen. Mirko grinste.
»Freut mich«, bekräftigte Dominik. »Na dann, bis bald. Man sieht sich bestimmt.« Er lief die Treppen hinunter. Mona hörte, wie die Haustür ins Schloss fiel.
»Wow! Er geht aufs College«, giftete Mirko. »Was glaubst du wohl, wo? Ich tippe auf England.«
»Was stört dich daran?«, fragte Mona.
»Nichts«, sagte Mirko. »Außer, dass ich mir lieber den Arsch verbrennen als meine Zeit im College absitzen wür de.«
Mona lachte ungläubig. »Was hast du gegen ein College?«
»Nichts. Ich finde es bloß scheiße, wenn jemand so an gibt. Mann, der hatte ein Gesicht! Wie diese Typen, von de nen man genau weiß, dass sie später mal Investmentbanker werden, weil ihr Daddy jemanden kennt, der jemanden kennt, und so weiter.«
Sie waren jetzt im zweiten Stock. Mona blieb auf dem Treppenabsatz stehen.
»Und wieso hast du gesagt, dass du mein Freund bist? Der denkt doch jetzt, wir haben was miteinander.«
»Ach. Das wär dir peinlich oder was?«, knurrte Mirko. Er war sichtbar gereizt. Und Mona dachte: Was mach ich ei gentlich mit dem Typen? Wenn wir uns jetzt schon streiten, können wir das Ganze doch gleich lassen.
»Das ist mir überhaupt nicht peinlich«, murmelte Mona, obwohl sie wusste, dass es nicht die ganze Wahrheit war. Peinlich war vielleicht nur nicht der richtige Ausdruck. Sie hatte, im tiefsten Innern, aber urplötzlich das Gefühl, dass es nicht gut war, wenn man sie beide zusammen sah. Dass dieser Dominik sie mit Mirko im Treppenhaus gesehen hat te – irgendetwas daran war nicht richtig. Doch im nächsten Moment schon schämte sie sich für diesen Gedanken. Nur weil seine Mutter in einer Reinigung arbeitet oder was? Wie arrogant bist du eigentlich, Mona Preuss?
Mirko grinste. »Siehst du, dann ist doch alles gut.«
Und so verstrich auch dieser Augenblick, in dem Mona noch die Notbremse hätte ziehen können.
Später, wenn sie darüber nachdachte, wie alles gekommen war, und ihr dieser Moment einfiel, dann überlegte sie, ob das Schicksal ihr noch einen kleinen letzten Wink hatte ge ben wollen, eine Möglichkeit, aus der Sache auszusteigen. Indem es
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