Party Prinzessin
zusammenzureißen und jedes Mal nur einen ganz winzigen Schluck zu nehmen. Dadurch schmeckte es etwas erträglicher. Vielleicht machen das alle Biertrinker so und trinken immer nur eine ganz kleine Menge. Während ich so dastand und an meiner Flasche nippte, merkte ich plötzlich, dass JP Lillys Kamera in der Hand hielt und auf mich richtete. Ich versteckte das Bier schnell hinter meinem Rücken.
JP senkte die Kamera, sagte: »Ups, sorry«, und sah ein bisschen verlegen aus.
Aber nicht so verlegen, wie ich mich fühlte, als Lilly fragte: »Sag mal, was machst du da eigentlich, Mia?«
»Nichts«, knurrte ich genervt, weil ich mir vorstellte, dass ein echtes Partygirl so reagieren würde, wenn ihre Freundin sie fragte, was sie da macht. Es sei denn, sie wäre eines von diesen Partygirls, die man in Berichten über die Spring Break in Florida sieht. Die würden wahrscheinlich ihr T-Shirt hochheben und mal schnell ihren Busen in die Kamera halten.
Aber die Art von Partygirl bin ich ja nicht.
»Du trinkst?« Lilly sah irgendwie geschockt aus. Na ja, vielleicht eher belustigt als geschockt. »Bier?«
»Ich versuche nur, mich zu amüsieren«, sagte ich und spürte JPs durchdringenden Blick auf mir, was mir sehr unangenehm war. »Außerdem ist es ja nicht so, als würde ich in Genovia nie Alkohol trinken.«
»Ja, klar«, sagte Lilly. »Mal einen kleinen Champagner auf irgendwelchen diplomatischen Empfängen. Wein zum Abendessen. Aber doch kein Bier .«
»Lass mich doch«, sagte ich und wollte mich gerade woanders hinstellen, als mir Michael entgegenkam und sagte: »Hey! Da bist du ja.«
Dann sah er an mir herunter und entdeckte die Bierflasche. »Was machst du denn da?«
»Siehst du doch«, sagte ich und warf meine Haare partygirlmäßig in den Nacken. »Ich amüsiere mich.«
»Seit wann trinkst du denn Bier?«, fragte Michael.
»Ach komm, Michael.« Ich lachte. »Lass mich doch.«
»Genau dasselbe hat sie gerade zu mir gesagt«, informierte Lilly ihren Bruder, nahm JP die Kamera ab und richtete sie auf Michael und mich.
»Lilly!«, sagte Michael streng. »Mach die Kamera aus! Mia…«
Aber bevor er sagen konnte, was er sagen wollte, spielte das Party-Shuffle-Programm auf seinem Computer (er hatte die Boxen im Wohnzimmer an seinen PC angeschlossen) das erste langsame Lied des Abends – »Speed of Sound« von Coldplay –, weshalb ich sagte: »Oh, das Lied finde ich voll gut«, und anfing zu tanzen, genau wie Lana es mir geraten hatte.
Eigentlich bin ich gar kein so großer Coldplay-Fan, weil ich es nicht sehr klug von dem Sänger finde, dass er zugelassen hat, dass seine Frau Gwyneth Paltrow ihre gemeinsame Tochter Apple genannt hat. Wie soll sich die Arme fühlen, wenn sie erst mal in die Schule kommt? Die wird dort doch nur verarscht.
Aber das Bier, so stinktierartig es auch roch und schmeckte, zeigte seine Wirkung. Das merkte ich daran, dass ich mich längst nicht mehr so unsicher fühlte wie vorher. Im Gegenteil kam ich mir irgendwie auf einmal richtig cool vor. Und das, obwohl ich die Einzige im ganzen Raum war, die tanzte.
Aber das machte mir nichts aus, weil es ja oft so ist, dass jemand mit dem Tanzen anfangen muss, damit die anderen sich trauen. Die warten nämlich nur darauf, dass jemand das Eis bricht.
Wobei mir nach einiger Zeit auffiel, dass trotzdem keiner mitmachte. Vor allem Michael nicht. Der stand bloß da und starrte mich an. Genau wie Lars. Und Lilly, die mich durch das Objektiv ihrer Kamera anstarrte. Sogar Boris und Tina auf ihrer Couch hörten auf herumzuknutschen und starrten mich an. Und die ganzen Studentinnen glotzten mich auch an. Eine von ihnen beugte sich zu ihrer Freundin und raunte ihr etwas ins Ohr, worauf die Freundin kicherte.
Ich war mir sicher, dass sie bloß neidisch waren, weil ich mir im Gegensatz zu ihnen richtig Mühe gegeben hatte, mich partymäßig zu stylen – sogar mit Baskenmütze –, und tanzte ungerührt weiter.
In dem Moment kam mir JP zu Hilfe und fing auch an zu tanzen.
Er tanzte zwar nicht richtig mit mir. Also, er fasste mich dabei nicht an. Aber er kam zu mir rüber und machte so ein paar Schritte hin und her, wie es große Menschen machen, wenn sie tanzen möchten, aber keine große Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen.
Ich war so erleichtert, dass endlich noch jemand tanzte, dass ich im Shimmy-Schritt (den hat Feather uns beigebracht, das ist so ein Tanz aus den Zwanzigerjahren, bei dem man die Schultern schüttelt) näher an ihn rantanzte
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