Pas de deux
wurden. Während ich mit einer Grimasse das Zimmer durchquerte, fing ich Ediths Blick auf. Ich entnahm ihm, daß unsere Beziehungen, wenn ich mich nicht irrte, für – sagen wir: mindestens acht, zehn Tage ausgesetzt waren, und ich gab mich keinen trügerischen Hoffnungen hin. Ich wußte auf den ersten Blick, ob sie mir nur ihr Desinteresse schenkte oder ob ich mich auf einen totalen und gnadenlosen Krieg gefaßt machen mußte, darin war ich der größte Experte der Welt, da täuschte ich mich nie. Ich wußte zum Beispiel, daß ich in den nächsten Stunden auf keinen Fall, unter welchem Vorwand auch immer, eine Zone von zweieinhalb Metern um sie herum betreten durfte, wenn ich vermeiden wollte, daß es knallte. Und ich wußte, daß niemand anders als ich das abkriegen würde.
Nun, es bekümmerte mich nicht über Gebühr. Ich spürte, die Tage, die jetzt kamen, würden das einrenken, sie würde in mir einen neuen Menschen finden, überschäumend vor guter Laune und jedem Hader abgeneigt, und dieser Pazifismus würde sie entwaffnen. Würde sie meinen Entschuldigungen widerstehen können, hätte sie das Herz, mich auch noch auf die linke Wange zu schlagen?! Sicher, das war nicht ausgeschlossen, aber würde ich nicht zu guter Letzt ihren Zorn besiegen, würde ich nicht, indem ich es ständig in mich aufnahm, dieses Gift, das sie gegen mich sprühte, schließlich bis auf den letzten Tropfen aufgesogen haben? Sie würde meine Aufmerksamkeiten kaum fassen können, ich lächelte schon im voraus, während ich in Annas Schlepptau die Treppe emporstieg.
Ich sah ein wenig klarer, als sie die Badezimmertür abschloß. Ich sagte mir, in Zukunft müßte ich schneller schalten, solche Dinge voraussehen.
Ich fragte sie nicht, was wir da trieben. Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Tür, gegen ein Polster aus Bademänteln, die dort hingen, und reichte ihr eine elektrisierte Hand.
Mit Ramona zu bumsen, wenn ich mich zu einem Vergleich mit meiner Erfahrung in dieser Nacht unterstehen soll, glich einer Rutschpartie über den sanft geschwungenen Abhang eines Hügels. Mit Anna – das war, als stürzte ich in eine tiefe Schlucht und bräche mir dabei alle Knochen. Und der Unterschied zwischen diesen beiden Methoden war so kraß, daß ich mich nicht für die eine oder andere hätte entscheiden können. Jedenfalls hatte ich, und ich war immer noch hellauf begeistert, ein Gefühl kennengelernt, das Ramona nie in mir geweckt hatte: das Gefühl der Eroberung.
Mir war, als hätte ich auf dem Fliesenboden des Badezimmers einen Kampf ausgetragen. Wir hatten uns nicht auf Kissen niedergelassen, ich hatte sie nicht feierlich ausgezogen und entspannt zugeschaut, wie sie sich rückhaltlos – mitunter abwesend oder nachdenklich, was mir jedoch überhaupt nichts ausmachte – hingab. Wir waren übereinander hergefallen. Wir hatten uns in unseren Klamotten verstrickt. Wir waren über den Boden gerollt und hatten uns gebalgt wie Hunde, nur daß es Lust und Begierde war, was uns zerriß. Ramona hatte für mich zwar auch den Ruch des Unbekannten, doch das war nie über das Rätsel ihres Körpers hinausgegangen, die Art, wie sie auf meine Liebkosungen reagierte und wie all das funktionierte. Ich wußte um die Gefühle, die sie für mich hegte und die seit eh und je gleich waren, ob wir nun miteinander schliefen oder nicht. Ich würde bis ans Ende der Zeit ihr kleiner Liebling, fast ihr Kind sein, und nichts, schier gar nichts würde daran etwas ändern. Und mehr suchte ich nicht und erhielt ich nicht. Mit Anna dagegen war alles möglich. Bei ihr war nichts schon im voraus klar. Ich konnte getrost davon ausgehen, daß es ihr, als sie mit mir bumste, nicht vornehmlich darum ging, mir eine Freude zu machen.
Ich hatte mich an ein Mädchen von zweiundzwanzig Jahren herangemacht, nicht an eine scheinheilige Betschwester, und sie war verdammt hübsch. Sie hätte sämtliche Typen der ganzen Fête rumkriegen können oder nur einmal telefonieren müssen, und ganze Horden wären angetrabt, aber sie hatte mich erwählt, niemand anders als mich, ich hatte sie erobert, und das hatte ich nur mir allein zu verdanken. Und ich hatte keinen Austin Healey, der draußen auf dem Parkplatz stand, ich hatte ihr kein Wochenende in Deauville angeboten, und ich war auch kein Modefotograf. Sie schaute auf meine Hände oder streichelte mir über die Wange, während wir darauf warteten, daß die Wanne vollief. So nackt, wie ich in diesem Augenblick war, so nackt war ich
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