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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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entsetzt aufschrien, wenn es zur Sache ging. Bei denen, die schön waren, intelligent und keinen unterkühlten Blick hatten, rannte ich mir den Kopf ein, ich stieß gegen eine Mauer der Gleichgültigkeit und gewann dabei höchstens ein mitleidiges Lächeln. »Komm wieder, Henri-John, komm in fünf oder zehn Jahren nochmal wieder …« Mir blieb also nur Ramona, um nicht verrückt zu werden. Aber ansonsten tanzte ich allein an, ich kroch hinter den andern die Treppe hoch, wenn wir auf eine Fête gingen, und ich zog mit den Händen in den Taschen wieder los, niemand an meinem Arm, und wartete unten auf dem Bürgersteig auf die andern. Und Ramona, die ständig predigte, das könne so nicht weitergehen, die mich anflehte, ein Mädchen meines Alters zu finden. Sie behauptete, das sei nur zu meinem Besten, und ich fragte sie, ob sie mir den Rest geben wolle.
    Unter all den Mädchen, die ich in meinen Armen gehalten hatte, war keines gewesen, das nicht im letzten Moment Schiß bekommen hatte. Jetzt hatte ich die Nase voll. Inzwischen durchschaute ich sie auf den ersten Blick, und waren sie noch so umwerfend schön, ich bemühte mich nicht einmal mehr um sie, ich überließ andern das Liebäugeln, denn ich, ich konnte mich damit nicht zufriedengeben, ich mußte an mich halten, sie nicht zu erwürgen. Also fühlte ich mich allein.
    Anna war genau, was ich brauchte. Genau der Typ Mädchen, den ich nicht kriegen konnte. Und wenn ich mich an dem Blick berauscht hatte, den sie mir damals zuwarf, wenn ich darin irgendeine vage Verheißung gelesen zu haben glaubte, dann war ich jetzt geheilt, es war vorbei, ich hatte die winzige Chance vertan, die mir der Himmel gewährt hatte, ich hatte mir mit meiner dämlichen Plumpheit bei erstbester Gelegenheit alles vermasselt. Ich hatte das Gefühl, ich kam da nie mehr raus.
    »Mir gefällt dieses Mädchen überhaupt nicht!«
    »Alles andere hätte mich gewundert.«
    »Nein, im Ernst. Die ist kalt wie eine Schlange. Außerdem, es geht nichts von ihr aus, sie versteckt sich. Verstehst du, was ich meine?«
    »Soll sie dir vielleicht ihr Leben erzählen?! Meine Güte, es gibt eben Leute, die sind zurückhaltend, die schütten einem nicht nach fünf Minuten ihr Herz aus, hast du das mal bedacht?«
    »Nein, das ist es nicht. Es kommt mir vor, als kontrolliere sie sich, als spiele sie eine Rolle. Sie antwortet dir mit einem Scherz, aber nach ’ner Weile stellst du fest, daß das falsch klingt, daß sie nicht sagt, was sie wirklich denkt.«
    »Ja, sagst du denn immer, was du denkst? Ah, ich bitte dich! Die Wahrheit ist doch, es kotzt dich an, daß ich mich für dieses Mädchen interessiere!«
    Ich hatte es eigentlich nicht auf Edith abgesehen. Was da hochkam, waren all diese erfolglosen Monate und dazu meine letzte Glanzleistung, bei der mir Wangen und Ohren brannten, die unfehlbare Sicherheit, mit der ich mich in Annas Augen selbst erledigt, selbst lächerlich gemacht hatte. Ich hätte jeder andern die Schuld zuschieben können, aber es mußte ja unbedingt Edith sein, die es abbekam. Ich sah, daß sie blaß wurde, während sie mich scharf ansah.
    »Armer Irrer!« stieß sie hervor. »Wenn du wüßtest, wie egal mir dein ganzer Kram ist!«
    Sie schleuderte mir einen derart verächtlichen Blick zu, daß ich den Kopf abwandte. Sie zischte noch irgendeine Nettigkeit, die ich nicht verstand, dann ließ sie mich stehen. Ich hatte ein wahres Talent, mir alle vom Hals zu halten, wenn ich in Form war.
    Die Sintflut, die draußen herunterkam, hätte die Bitterkeit meiner Gefühle nicht wegschwemmen können. Um nicht in meiner Ecke zu verschimmeln, ging ich in die Küche und schmierte Brote. Wie ein Berserker legte ich mich eine ganze Weile ins Zeug, den Blick fest auf den Tisch gerichtet, und wenn man mich ansprach, antwortete ich irgend etwas. Ich hätte mich genausogut über das Geschirr hermachen, das gesamte Besteck des Hauses blankpolieren oder mit einem Schnapsglas den Rasen leerschöpfen können. Ich brauchte keine Hilfe. Bloß nicht. Ich motzte den ungebetenen Helfer an, als ich zwei Hände erblickte, die mir mein Werk raubten, den Berg antasteten, der auf dem Tisch in die Höhe ragte. So wie es um mich stand, konnte ich mir eine unfreundliche Bemerkung leisten, ich hatte aufgehört, meine Feinde zu zählen. Eine Gehässigkeit auf der Zunge, blickte ich zu dem Störenfried hoch. Aber es war Anna.
    Wir starrten uns eine Sekunde lang an, dann machte ich mich wieder an meine Arbeit, ohne ein Wort zu

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