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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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die Sache weniger wichtig und begeisterten sich kurz für die Sauberkeit des Armaturenbretts. Dann wurde es Zeit, an den Start zu denken.
    Es ging darum, im Laufe des Tages einige Etappen zurückzulegen, deren geographische Lage man mittels etlicher Hinweise, Rebusse, Scharaden und anderer Kopfnüsse, die allesamt in einem Briefumschlag enthalten waren, zu erraten hatte. Wenn man an Ort und Stelle ankam, wurde jedes Team, bevor das Abenteuer weiterging, einem Geschicklichkeits- und Intelligenztest unterzogen. Der ganze Ulk sollte in einem Gasthaus enden, und die letzten mußten die Rechnung bezahlen.
    »Ich verstehe nicht, daß es nichts zu gewinnen gibt«, erklärte ich, als ich den Motor anließ.
    Der Wagen mußte noch eingefahren werden. Ich ließ die anderen davonfahren und trällerte Hit the Road Jack, das neuste Stück von Ray Charles, während Anna unseren Umschlag aufriß.
    Die ganze Horde war bereits in der Ferne entschwunden und hatte uns die Landschaft, die Stille, die im Licht säuselnden Bäume und die nach trockenem Gras duftende Luft überlassen, die durch den Wagen blies und unsere Haare aufwirbelte.
    »Können wir nicht schneller fahren?« fragte sie mich.
    »Das ist kein Wettrennen. Hier gewinnt man nicht, weil man einen MG hat.«
    »Apropos MG. Weißt du, was diese beiden Buchstaben bedeuten?«
    Ich schenkte ihr einen Blick, aus dem Nachsicht und Verdruß sprechen sollten.
    »Komm, woher soll ich das denn wissen? Was hätte ich schon davon?«
    Ich sah, daß sich ihre Stirn runzelte. Ich kapierte aber nicht, warum.
    »Du bist bestimmt der einzige, der die Antwort nicht weiß«, seufzte sie und warf den Umschlag auf den Rücksitz.
    »Mmm, da bin ich mir sicher. Aber frag sie bloß nicht, was F. M. vor Dostojewski) bedeutet. Du würdest ihnen den Kiefer ausrenken.«
    »Darum geht es aber nicht«, erwiderte sie und starrte auf die Straße. »Also, weißt du’s oder weißt du’s nicht?«
    »Nein, keine Ahnung.«
    Sie beugte sich zurück und langte nach dem Umschlag. Sie entnahm ihm eine Generalstabskarte und ein Blatt Papier. Sie zögerte nicht, mir vorzulesen.
    »Als erstes«, sagte sie mit schneidender Stimme, »braucht ihr nur die beiden Buchstaben MG zu entschlüsseln.«
    Ich streifte die Böschung, als ich ihre Worte hörte, brachte uns jedoch sofort auf die Fahrbahn zurück.
    »Sie präzisieren«, spottete sie, »daß es sich um das Fahrzeug und nicht um Maxim Gorki handelt!«
     
    Wir verloren irrsinnig viel Zeit, bis wir ein Telefon gefunden hatten. Und dann stand ich eine ganze Weile in einem Bistro auf dem Lande, ohne Anna aus den Augen zu lassen, die im Wagen auf mich wartete und ihre Zigarettenstummel in meine Richtung schnippte. Zum guten Schluß erhielt ich Auskunft von einem Vertragshändler in Boulogne, der mir gestand, daß er sich diese Frage noch nie gestellt habe, jedoch seinen Sohn zu Rate zog: MG war die Abkürzung für MORRIS GARAGES.
    Anna sagte nichts. Ich führte Selbstgespräche. Der zweite Brief gab die Richtung an: W für Westen. Ein anderer die Nummer einer Landstraße. Ein weiterer die Anzahl der Kilometer, die ich zurückzulegen hatte, ein letzter eine Kursänderung. Während ich den Weg einzeichnete, dachte ich laut über diese Bande von Saukerlen nach.
    »Hör auf, du leidest an Verfolgungswahn«, ermahnte sie mich. »Es bekommen alle die gleichen Fragen.«
    Ich gab lieber keine Antwort. Ich redete weiter mit mir selbst.
    Zwei Typen warteten am Etappenziel auf uns. Sie erklärten, wir hätten dreiundvierzig Minuten Rückstand auf die Spitzenreiter. Ich erwiderte, der Tag habe gerade erst begonnen. Anna erbot sich, die Geschicklichkeitstests zu übernehmen. Sie mußte zehn Nadeln mit winzigem Öhr auf einen Faden zu ziehen. Und auf einem Bein balancieren. Ein Beweis, daß es sich um ausgemachte Schwachköpfe handelte. Ich übernahm die Tests in Allgemeinbildung, wie sie es nannten.
    »Für den Anfang ein wenig Poesie …«
    »Bestens«, sagte ich.
    »Zitieren Sie den Titel eines Werks von Minou Drouet.«
    »Scher dich zum Teufel«, antwortete ich.
    »Falsch!« belferte er mir in die Ohren. »Fünf Minuten Strafzeit!«
    Ich war ziemlich pedantisch, was Poesie anging. Und trotz der Miene, die Anna zur Schau trug, war ich stolz auf diese Strafzeit, ich wollte, er hätte sie mir an mein Polohemd gesteckt.
    »Nächste Frage: Was ist die Marke des neuen Wagens von Françoise Sagan?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Das kostet weitere fünf Minuten …«
    Noch war mir nicht

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