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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Eindruck, daß er daran Gefallen fand und sogar immer früher eintraf. Aber das berührte mich kaum. Ich fing gerade an, mich um Chantal zu bemühen, und hatte folglich andere Dinge im Kopf. Sie war es, die mich als erste darauf ansprach.
    Sie stand hinter ihrem Wandschirm und legte ein Set aus Strümpfen, Slip und Strapsen an, das ich ihr mitgebracht hatte.
    »Sag mal … Findest du nicht, daß sich David seit einiger Zeit richtig einnistet?«
    Ich brummte zustimmend, den Blick unverwandt auf sie gerichtet. Wir hatten vereinbart, daß ich zugucken durfte, solange ich mich ruhig verhielt.
    Am nächsten Tag kam Ramona ebenfalls auf dieses Phänomen zu sprechen. So sehr sie sich für meine linke Hand begeisterte, so erbarmungslos war sie gegenüber meiner rechten. Sie beobachtete sie verstohlen während des ersten Satzes aus Gaspard de la nuit und erklärte mir, David sei ein netter Kerl, aber er begehe einen Fehler. Als ich sie fragte, welchen, antwortete sie, ich brauchte mir nur Edith anzuschauen. Ich fand das ein ziemliches Risiko für eine Sache, die mich nicht interessierte.

Und als ich eines Abends vom Einkaufen zurückkam und direkt auf mein Zimmer huschen wollte, um dort meine letzte kostbare Anschaffung abzulegen – einen schwarzen Seidenslip, für den ich mindestens zwei, drei Nächte an meinem Klavier gesessen hatte –, fing mich Edith auf dem Flur ab. Sie hatte keinen besonders günstigen Zeitpunkt gewählt, denn ich hatte das Päckchen unter mein Hemd geschoben und traute mich nicht, aus dem Schatten hervorzutreten.
    »Mein Gott! Komm mal her!« sagte sie.
    Ich fragte mich, was in sie gefahren war.
    »Was gibt’s?«
    »Komm rein!«
    Es war lange her, daß ich ihr Zimmer zuletzt betreten hatte. Ich wußte nicht einmal mehr, wo ich mich hinsetzen sollte. Vor ihrem Schreibtisch stand ein Stuhl. Und am anderen Ende das Bett. Ich fühlte mich außerstande, mich auf einem von beiden niederzulassen. Aber ich hatte auch nicht vor zu bleiben.
    »Henri-John, tu mir einen Gefallen …«
    »Na schön. Einverstanden …«
    Irgend etwas sagte mir, daß sie es nicht auf mich abgesehen hatte. Sie sprang mir nicht ins Gesicht. Und da war auch kein leises Knistern in der Luft.
    »Was ist das denn?«
    »Nichts. Ein Päckchen … Also, was kann ich für dich tun?«
    Ich holte das Ding aus meinem Hemd hervor und preßte es unter den Arm. Die Neugier entlockte ihr fast ein Lächeln. Um ein Haar hätte sie vergessen, was sie von mir wollte.
    »Mmm … Paß auf, sag ihnen, daß ich nicht zum Essen komme, mir sei nicht gut.«
    »Bist du krank?«
    Wir schauten uns eine Sekunde lang in die Augen.
    »Wir müßten uns über die Platten einigen, wenn du einen Augenblick Zeit hast …«
    Ich wollte ihr sagen, das habe keine Eile, doch sie ging bereits auf ihr Bett zu, setzte sich darauf, beugte sich vor, schnappte sich einen Stapel Singles und legte ihn auf ihren Schoß.
    »Wenn du nichts dagegen hast, würde ich die hier gern behalten …«
    Das war das erste Mal, seit wir diesen Handel betrieben, daß sie sich darum sorgte, ob mich ihre Auswahl störte. Es drehte sich um ›Peter, Paul and Mary‹, eine neue Gruppe, bei der man im Stehen einschlief, und das am hellichten Tag. Ich weiß nicht, welches Wunder, welche unerklärliche Ahnung mich bewogen hatte, meine Zunge im Zaum zu halten.
    »Wie findest du die?«
    »Ich hab sie mir nicht genau angehört. Ich vertraue deinem Urteil …«
    Ohne Zeit zu vergeuden, fing sie an, den ganzen Stapel durchzugehen. Ich wußte nicht, wie ich mich eigentlich verhalten sollte. Vielleicht war sie wirklich krank und verwechselte mich mit jemand anderem?
    Sie hob den Kopf und schaute mich überrascht an, als fragte sie sich, wieso ich da im Zimmer rumstand, wo doch ihr Tun meine ganze Aufmerksamkeit erforderte. Ich trat also näher, hatte nicht vor, mich neben sie zu setzen, kauerte mich auf die Fersen.
    Das war keine tolle Ware, die wir da vor uns hatten. Es waren ein paar lustige Sachen darunter wie die ›Beach Boys‹, ›Dionne Warwick‹ oder ›The Four Seasons‹, aber nichts Umwerfendes. Sie wollte auch die Neuste von Paul Anka behalten. Ohne große Überzeugung legte ich Dream Baby von Roy Orbison auf die Seite. Ich vermochte unserer Beschäftigung kein großes Interesse abzugewinnen.
    »Weißt du«, sagte sie zu mir, »ich seh ihn momentan den ganzen Tag … Abends brauch ich ein wenig Ruhe.«
    »Warum erzählst du mir das?«
    »Weil du es ihm sagen sollst. Ich weiß nicht, denk dir was

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