Pas de deux
drückte sie so fest meine Hand, daß ich meine Knochen knacken hörte.
Als uns Evelyne letztes Jahr verkündete, sie werde ihr Studium abbrechen, um in der ›Modebranche‹ zu arbeiten, habe ich mehrere Tage lang kein Wort mit ihr geredet. Tatsächlich – und das war genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte – bestand ihre ›Arbeit‹ darin, von morgens bis abends in irgendwelche Kleider zu schlüpfen und sich von einem Schwachkopf knipsen zu lassen, wobei sie wohlgemerkt die meiste Zeit nur im Höschen herumlief.
Edith und ich hatten lange darüber diskutiert, und natürlich hieß es, ich sei ein wenig vernagelt und all diese Mädchen würden keineswegs im Puff landen oder völlig verblöden, wie ich anscheinend zu verstehen gab. Ich gab zu, daß ich mich mitunter in meinem Zorn hinreißen ließ, aber ich war der einzige Mann in diesem Haus und meiner Meinung nach auch der einzige, der die Welt so sah, wie sie ist, und nicht, wie er sie gern hätte – und das, das war der Grund all ihrer Probleme.
In der Folge stellte sich heraus, daß ich zumindest in einem Punkt unrecht hatte. Ich wollte, daß sie im Leben eher ihren Grips als ihren Hintern benutzte, und sie, sie setzte beides ein. Inzwischen hat sie nur noch gelegentlich Fototermine, weil man gemerkt hat, daß es ihr an guten Ideen nicht fehlte, und ich glaube, man hat ihr sogar einen Schreibtisch und ein paar Buntstifte gegeben – ich bin gemein –, man verdankt ihr sogar den Entwurf zu einigen Modellen, darunter ein Abendkleid, das sich Edith sogleich angeschafft hat. Womit ich jedoch recht hatte – als Vater halte ich, ohne Nachforschungen anzustellen, die nur Salz in die Wunden streuen würden, lieber an der Meinung fest, daß sie von diesem Milieu verdorben wurde, als an der schwer erträglichen Vorstellung einer natürlichen Neigung –, kurz und gut, womit ich wie gesagt, obwohl mir die Worte im Hals steckenbleiben, recht hatte, das war die Angst vor Evelynes Abgleiten in puncto Sex.
Die endlose Reihe ihrer Freunde verdroß mich zutiefst. Es gab gewisse Dinge, die ich verstehen und zur Not – durch das Wunder objektiven Nachdenkens – akzeptieren konnte, sofern das nicht vor meiner Nase geschah. Und die meisten sahen aus wie Schwachköpfe und schienen von sich selbst eingenommen. Wie soll ich erklären, was ich empfand, wenn ich sie vor mir hatte, außer daß sie mir auf den Wecker fielen?!
Der eine, der mit quietschenden Reifen abdüste, nachdem ich ihn mit voller Wucht geohrfeigt und wieder hinter sein Lenkrad gesetzt hatte, war wahrscheinlich nicht einmal der Schlimmste, aber er mußte für alle anderen büßen und die schlechte Laune ausbaden, die ich hatte.
Evelyne sagte nichts, aber sie blickte mich finsteren Auges an.
»In meiner Gegenwart faßt dich niemand an!« knurrte ich. »Und wenn, dann parkt wenigstens nicht vor meinem Haus.«
Sie war in ihrem Stolz verletzt, weil sich ihr Vater in ihr Leben als große Dame eingemischt hatte. Aber das war mir ziemlich schnurz. Ich sollte sie also – wie sie mir ständig eintrichterte – so nehmen, wie sie war? Na gut, das galt für beide Seiten. Ich konnte nichts dafür, wenn sie mich nicht besonders mochte.
Ich hatte mit einem liebenswerten Wortwechsel draußen auf dem Bürgersteig gerechnet. Statt dessen verdrückte sie sich wortlos, sie verpaßte dem Gartentörchen einen kräftigen Fußtritt, dann schmiß sie die Tür brutal zu. Bei uns quietschen die Türangeln nicht, sie erstarren auch nicht in ihrer Schmiere, sie glänzen und sind durch die Kraft der Dinge eingefettet. Die Dinge im Haus kennen mich nicht, aber wissen Sie, daß sie erzittern, wenn eine von den beiden wütend ist?
Ich hob die Sonnenbrille des Idioten auf – die von Porsche sind die häßlichsten, affigsten, lächerlichsten und ulkigsten Gestelle, die man sich vorstellen kann – und schleuderte sie ein Stück weiter weg, mitten auf die Straße.
Ich hatte die beiden vom Küchenfenster aus erblickt, als sie gerade anhielten. Es war spät. Eléonore lag schon im Bett. Auf die gleiche Weise, das heißt im Schatten und mit zusammengepreßten Kieferbacken, hatte ich einige Stunden zuvor den Transfer von Ediths Kartons in den Lieferwagen beobachtet, den Robert Lafitte gemietet hatte, und seine Grimassen hatten mich nicht darüber hinweggetröstet, was diese albernen Faxen für mich bedeuteten. Eine ganze Weile war ich zwischen Trauer und Wut hin und her gerissen, war herumgeirrt inmitten einer betäubenden Wüste,
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