Passionsfrüchtchen
an der Bar.
„Ich habe eine Überraschung für dich. Komm mit!“, begrüßte sie ihn.
Sie führte ihn in die erste Etage. Auf dem Weg nach oben kamen ihm seine Eltern entgegen. Was machten die denn hier? Sie schienen jedoch nicht im Geringsten erstaunt, ihn zu treffen. Seine Mutter umarmte ihn.
„Du bist so selten zu Hause, Junge. Willst du uns nicht mal wieder besuchen?“
Er hasste es, wenn sie ihn Junge nannte, aber diesmal war er ihr aus unerfindlichen Gründen nicht böse. Sein Vater klopfte ihm auf die Schulter.
„Na, geh schon, sie wartet auf dich. Und reiß dich diesmal zusammen.“
Was sollte das bedeuten? Wer wartete auf ihn? Renate zog ihn sanft hinter sich her. Er folgte ihr widerstrebend. Vor einer Tür blieben sie stehen.
„Nun geh schon hinein! Hinter dieser Tür wartet deine Überraschung.“ Sie schubste ihn vorwärts.
Im nächsten Augenblick befand er sich in einem Raum, der von Hunderten von Kerzen erhellt war. In der Mitte stand ein großes schwarzes Bett. Auf dem Bett saß Renate in ihrem Lederoutfit und kehrte ihm den Rücken zu. Wie war das möglich? Sie hatte ihn doch eben noch in den Raum gestoßen und nun saß sie hier in diesem Zimmer? Argwöhnisch näherte er sich dem Bett.
„Renate?“
Sie reagierte nicht.
„Renate! Was ist hier los?“
In diesem Moment drehte sich die Frau um.
„Juliette!“ Entsetzt wich er einen Schritt zurück. „Was machst du hier?“
Sie lachte ihn an. „Es tut mir leid, Sven. Es tut mir leid.“
Die Worte hallten falsch in seinen Ohren wider. Er konnte den Klang nicht ertragen.
„Es tut mir leid.“
Er wollte davonrennen und drehte sich um, aber er konnte die Tür nicht finden.
„Es tut mir leid.“ Sie kam einen Schritt näher …
Sven fand sich in seinem Bett wieder. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Seit nunmehr vier Jahren träumte er in unterschiedlichen Abständen diesen Traum. Die Umstände wechselten teilweise, aber am Ende wartete immer Juliette auf ihn, lachte ihn an und wiederholte endlos wie ein Papagei „es tut mir leid“.
Er knipste die Leuchte neben dem Bett an und setzte sich auf. Würde er diesen Albtraum denn nie loswerden? Er fuhr sich mit den Händen durch das schweißnasse Haar und berührte die Narbe von dem Tattoo an seinem Oberarm.
Im Bad wusch er sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Wie war es nur so weit gekommen? Er war glücklich mit Juliette gewesen, hatte geglaubt, sie sei die Frau fürs Leben. Es lag weit zurück, er wollte sich nicht daran erinnern, aber die Bilder von damals drängten sich ihm unweigerlich auf …
Sven war gerade frisch von seinem zweiten Auslandsjahr in den USA zurückgekommen, um in der Firma seines Vaters die Marketing-Abteilung zu übernehmen. Er hatte in den USA seine ersten beruflichen Erfahrungen gemacht, und wenn er seinen Vater irgendwann in der Leitung der Firma ablösen sollte, dann war es jetzt höchste Zeit, die Weichen für die Zukunft zu stellen.
Anlässlich seiner Rückkehr hatten seine Eltern einen großen Empfang organisiert. Sven stand im Mittelpunkt und wurde über seine Zeit in den USA von Strich nach Faden ausgefragt. An diesem Abend stellte ihm seine Kusine Andrea Juliette vor, die bei Andreas Vater, Onkel Herbert, ein Praktikum machte, bevor sie wieder nach Frankreich zurückgehen wollte.
Zwischen den beiden hatte es sofort gefunkt. Er fand ihren französischen Charme unwiderstehlich, war hingerissen von ihrer Art zu sprechen und davon, wie sie ihn ansah. Sie hatte einen starken Willen und wusste genau, was sie wollte. Sven bewunderte ihre Zielstrebigkeit, ihre Unabhängigkeit machte sie noch begehrenswerter. Und was die Leidenschaft anging: Er entdeckte ganz neue Welten mit ihr – ihre zärtliche und verspielte Art ihn zu küssen, ließ ihn alles um sich herum vergessen. In kurzer Zeit waren sie unzertrennlich und von Juliettes Rückreise nach Frankreich war keine Rede mehr. Sie hatte schon bald eine Festanstellung in einem französischen Unternehmen in Düsseldorf gefunden. Sven war glücklich in seiner Beziehung mit Juliette und in seinem Job, er glaubte, seine Bestimmung gefunden zu haben.
Mit der Zeit wuchs Juliettes Verantwortungsbereich. Sven freute sich zunächst für sie über ihren Erfolg. Genau wie sie hatte auch er immer mehr zu tun. Seine aus Amerika mitgebrachten Strategien ließen sich auf dem deutschen Markt jedoch nicht so umsetzen, wie er es geplant hatte. Immer häufiger musste er sich seinem Vater gegenüber rechtfertigen. Sie
Weitere Kostenlose Bücher