Passionsfrüchtchen
führten endlose Diskussionen, welcher Weg der richtige sei und gerieten dabei häufig aneinander. Oft kam er gestresst nach Hause und konnte auch nachts nicht abschalten.
Immer seltener fanden er und Juliette Zeit füreinander. Entweder saß er abends bis spät in die Nacht über irgendwelchen Analysen oder Juliette musste am Sonntag noch dringend eine Präsentation für den nächsten Tag fertigstellen. Irgendetwas war immer. Sie schliefen kaum noch miteinander, weil sie entweder zu gestresst oder zu müde waren.
Nach außen hin gaben sie sich weiter den Anschein des perfekten Paares. Zu groß war Svens Angst, er könne seine Eltern enttäuschen. Bisher hatte er in seinem Leben mühelos alles erreicht, was er sich vorgenommen hatte. Dieser Job und seine Beziehung zu Juliette würden da keine Ausnahme machen.
Ihre Beziehung hatte ihren Tiefpunkt, als Svens Vater fünfundsechzig wurde. Es war ein großes Ereignis. Alles, was Rang und Namen in Düsseldorf hatte, war eingeladen. Hätte er Juliette nur nicht überredet, gegen ihren Willen mit auf die Party zu gehen! Sie hatte so heftig mit einem Geschäftspartner seines Vaters geflirtet, dass er ihr eine Szene gemacht, und sie anschließend mehrere Tage kein Wort mehr miteinander gesprochen hatten.
Dann jedoch, kurz vor ihrem gemeinsamen dritten Jahrestag, erschien ein Streif am Horizont. Sven hatte seinen Vater endlich überzeugen können, der Traditionsmarke Sonntag ein frischeres Image zu verpassen. Gleichzeitig hatte er eine der führenden deutschen Supermarktketten für das angestrebte Category Management gewinnen können und das Geschäft stand kurz vor dem Abschluss. Er beschloss, mit Juliette richtig schick Essen zu gehen, und sie anschließend zu verwöhnen. Er machte frühzeitig Feierabend und kaufte unterwegs noch eine Flasche Champagner, um den bevorstehenden Abschluss mit ihr zu feiern.
Als er die Wohnungstür aufschloss, wunderte er sich, weil sie nicht abgeschlossen war. Hatte er es heute Morgen vergessen? Nein. Juliettes Schlüssel hing am Haken. Sie war also zu Hause. Umso besser! So konnten sie sich vielleicht noch lieben, bevor sie ins Restaurant fuhren. Gut gelaunt ging er ins Wohnzimmer und rief ihren Namen. Keine Antwort.
„Juliette?“, wiederholte er. „Wo bist du? Ich habe gute Neuigkeiten. Juliette? Liebling, ich muss dir was erzählen. Wir …“
Aber er brachte den Satz nicht zu Ende. Juliette kam aus dem Schlafzimmer in Begleitung eines Mannes, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Wer um Himmels willen war das?
„Ich wusste nicht, dass du so früh nach Hause kommst“, sagte sie und drängte ihn ins Wohnzimmer. „Christoph“, wandte sie sich an den Unbekannten, „lässt du uns bitte kurz allein?“
Allmählich begriff er, dass nicht er derjenige war, der hier Neuigkeiten zu erzählen hatte.
„Würdest du mir bitte erklären, wer das ist?“, fragte er Juliette, nachdem Christoph ins Schlafzimmer zurückgegangen war. „Was hat der Typ hier verloren? In unserer Wohnung? In unserem Schlafzimmer?“ Sein Ton war mit jeder Frage lauter geworden.
„Sven, bitte hör mir zu“, begann sie. „Es tut mir leid. Ich wollte es dir schon lange sagen, aber du hattest überhaupt keine Zeit mehr für mich. Du warst so oft schlecht gelaunt, irgendwie war nie der richtige Zeitpunkt.“
Der richtige Zeitpunkt? Der richtige Zeitpunkt für was, fragte er sich.
Seelenruhig, beinahe schon gefühlskalt, so kam es ihm vor, erklärte ihm Juliette, dass sie ausziehen wolle. Sie hätten sich auseinandergelebt und sie glaubte, es sei das Beste, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen.
Sven hörte gar nicht richtig zu. Juliette wollte ihn verlassen? Sein Kopf fühlte sich an wie ein großer Gong, der gerade von einem Klöppel getroffen worden war. Er konnte nicht klar denken, er konnte nicht sprechen. Ihm wurde schwindelig. Sie berührte ihn am Arm.
„Bitte Sven. Versteh doch: Du hattest nie Zeit. Ich war so einsam und Christoph war für mich da. Es ist einfach passiert. Es tut mir leid.“
Aber Sven wollte keine Entschuldigung hören. „Hör auf, mich anzulügen!“, fuhr er sie an „Verschwinde! Ich will dich nie wieder sehen!“
„Können wir nicht Freunde bleiben?“
„Du willst doch nur dein schlechtes Gewissen beruhigen. Den Gefallen tu ich dir nicht. Geh! Geh endlich und lass mich in Ruhe!“
Das war das letzte Mal, dass er sie gesehen hatte. Ihre Worte verfolgten ihn. Es tut mir leid – dieser Satz wurde zum Albtraum für ihn.
Die
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