Passwort: Henrietta

was gewöhnlich darauf folgte.
    Harry schob alle ihre Jetons in den Pot. »All-in.«
    Schweigen, während der Croupier die Jetons zählte.
    »Fünfundzwanzigtausend«, sagte er.
    Jemand am Tisch hinter ihnen schnappte nach Luft. Erst jetzt wurde Harry bewusst, dass sie Zuschauer angezogen hatten. Boyband stieß verächtlich seine Bunkerkarten von sich und lehnte sich zurück. Nur noch sie und Rousseau waren übrig.
    Wenn ein Spieler alle seine restlichen Jetons setzte, mussten die mitgehenden Spieler ihre Bunkerkarten aufdecken. Die noch übrigen Tischkarten wurden dann aufgedeckt, eine weitere Erhöhung des Einsatzes war nicht mehr erlaubt. Es war die einzige Situation, in der Bluffen und Pokerstrategien nichts mehr zählten; alles hing nur noch von den Karten ab.
    »All-in beim ersten Spiel«, sagte Rousseau mit hochgezogener Augenbraue. Er lächelte nicht mehr. »Das erfordert Mut.«
    Der Hai kreuzte noch immer, als beobachte er alles. Sein torpedoförmiger Körper schnitt durchs Wasser, die geschwungene Rückenflosse erinnerte Harry an die Sense des Schnitters.
    »Sie sind entweder clever oder fahrlässig«, fuhr Rousseau fort. »Ihr Vater war meistens fahrlässig.«
    »Er zahlte für seine Fahrlässigkeit auch einen Preis. Vielleicht sogar für die Fahrlässigkeit anderer Leute.«
    Durchdringend sah er sie an. »Er spielte zu lässig, mit viel zu vielen Risiken.«
    »Während Sie es vorziehen, sich an andere dranzuhängen und sie die Risiken übernehmen zu lassen?«
    Rousseau kniff die Augen zusammen. Harry kontrollierte ihren Atem und hielt die Hände still. Sei dir im Klaren, was du anderen und was die anderen dir verraten, hatte ihr Vater immer gesagt. Sie achtete darauf, nicht auf der Unterlippe zu kauen, beugte sich stattdessen vor, verschränkte die Arme und wartete auf Rousseaus Entscheidung.
    »Ich gehe mit«, sagte er schließlich.
    Im Pot lagen nun über hundertfünfzigtausend Dollar. Der Croupier wartete, dass sie ihre Bunkerkarten aufdeckten. Harry zeigte ihre Sechs und Neun. Rousseaus Mundwinkel zuckte.
    »Also«, sagte er nach einer Weile. »Doch kein Bluff.«
    Er drehte seine Karten um. Zwei Könige.
    Vom Tisch hinter ihnen war Gemurmel zu hören, während alle die möglichen Kombinationen durchgingen. Mit dem König auf dem Tisch hatte Rousseau einen Drilling. Harrys Straße war noch immer die höhere Hand, aber die River-Karte stand noch aus. Ein vierter König, und sie hätte verloren. Genau wie beim Full House, das er bekommen konnte, falls eine Sieben, Acht oder eine Zehn zu einem Paar aufgedeckt wurden.
    Sie ließ jede Verstellung sein, hielt den Atem an und wartete auf den River. Der Croupier drehte die Karte um. Es war ihr alter Kumpel, der Pik-Bube. Sie hatte gewonnen.
    Sie atmete tief aus, spürte, wie die Spannung von ihr abfiel, und bekam mit, wie alle auf ihren Stühlen herumrutschten. Rousseau schob das Kinn vor und ballte die Hände zu Fäusten.
    »Als Sie hier reingekommen sind, dachte ich, wie ähnlich Sie Ihrem Vater doch sind«, sagte er schließlich. »Aber ich muss eingestehen, ich habe mich getäuscht.« Sein Blick schien sie an den Stuhl zu heften. »Sie sind nicht einfach nur zum Pokern hier, oder?«

[home]
    47
      
    S al ist also aus dem Gefängnis entlassen worden.«
    Harry hörte das Klirren der Eiswürfel, die ins Glas fielen. Rousseau hatte ihr den Rücken zugekehrt, während er sich an der kleinen Bar am Ende des Raums bediente.
    Sie befanden sich in einer privaten Suite, die sie über das Aufzugsvestibül betreten hatten. Der Raum war elliptisch im Grundriss, die hohe gewölbte Decke war die kleinere Variante der Kuppel in der Great Hall of Waters. An einem Ende stand ein Eichentisch von königlichen Ausmaßen, dahinter zwei zweieinhalb Meter hohe Stangen mit der britischen und amerikanischen Flagge. Die ganze Anordnung erinnerte Harry an das Oval Office.
    Sie ging an die Theke und setzte sich auf einen Hocker. »Er ist gestern rausgekommen.«
    Rousseau hielt ihr ein Glas Whiskey hin. Sie schüttelte den Kopf. Er nippte daran und lehnte sich mit einem Ellbogen auf die Theke. »Ich dachte, er hätte noch zwei Jahre.«
    »Vorzeitige Entlassung wegen guter Führung.«
    »Sie haben was von einem Unfall erwähnt?«
    »Ja. Jemand hat ihn mit einem Geländewagen angefahren.« Harry versteifte sich. Sie war überrascht, wie normal ihre Stimme klang. »Ich gehe nicht davon aus, dass Sie irgendwas darüber wissen.«
    Er zog eine Augenbraue hoch und tat so, als langweile