Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Passwort: Henrietta

Passwort: Henrietta

Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
Vom Netzwerk:
eigentlich vorgehabt, die ersten Spiele auszusitzen, bis sie die anderen Spieler und vor allem Philippe Rousseau einschätzen konnte. Wenn er wirklich ihr Insider in der Rosenstock Bank war, dann musste sie sich Zeit lassen, um beurteilen zu können, ob er für die Rolle, die sie ihm zugedacht hatte, auch passte. Und sie musste dafür sorgen, dass er sie ernst nahm.
    Eine Sechs und eine Neun, zwei ungleiche Karten. Eine Eröffnungshand, wie sie sie liebte: nicht so gut, um sich damit Probleme aufzuhalsen, trotzdem ließen sie ihr einige Möglichkeiten. Sie hörte mit dem Unterlippenkauen auf und ging mit.
    Boyband raffte seine Jetons zusammen und ging ebenfalls mit. Spieler, die es kaum erwarten konnten, dass die Reihe an ihnen war, mochten ihre Karten meistens. Harry gestand ihm daher ein hohes Paar zu, vielleicht Könige oder Damen. Rousseau murmelte in seinem samtigen Französisch der Frau links von sich zu und ließ sich Zeit, seine Jetons abzuzählen. Er hatte einen ziemlich hohen Stapel vor sich. Harry erkannte einige karmesinrote Scheiben, die jeweils hunderttausend Dollar wert waren. Er musste einige glücklose Spieler ausgenommen haben, bevor sie aufgetaucht war. Interessant, dass die Freundschaft zu seinen Geschäftspartnern ihn nicht von seinem Gewinnstreben abhielt.
    Rousseau ging mit, schob seine Jetons auf den Tisch, und die Lady mit den Zähnen stieg aus. Der Croupier deckte die drei Flop-Karten auf: Kreuz-König, Karo-Sieben und Herz-Acht. Harry kräuselten sich die Härchen auf den Armen. Jetzt hatte sie eine Sechs, eine Sieben, eine Acht und eine Neun. Sie brauchte nur noch eine Fünf oder eine Zehn, um eine Straße zu bilden.
    Rousseau lächelte Harry zu. »Für jeden etwas dabei, nicht wahr?«
    Sie wich seinem Blick nicht aus. Er war an der Reihe, den Einsatz festzulegen. Noch immer lächelnd, schob er fünfzehntausend Dollar auf den Tisch. Harry wollte darauf wetten, dass er einen weiteren König in der Hand hatte, vielleicht mit einem Kicker, der mit der Sieben oder der Acht auf dem Tisch ein Paar bildete. Aber zwei Paar schlugen noch keine Straße, und sie hatte noch zwei Chancen, sie aufzufüllen. Die dürre Frau ging mit und trennte sich mit weit aufgerissenen Augen von ihren Jetons. Sie hatte nur noch einige wenige tausend Dollar vor sich liegen. Harry fragte sich, welche Bunkerkarten sie in diese Malaise hatten schlittern lassen.
    Ein indigoblauer Schatten verdunkelte die Gewässer hinter dem Croupier. Der Hai war wieder da und strich an der Tankwand entlang, neigte sich zur Seite und offenbarte seine unheimliche Unterseite und das umgedrehte U des fürchterlichen Mauls. Harry sah weg und zwang sich, bis fünf zu zählen. Dann ging auch sie mit.
    Boyband hatte es diesmal nicht so eilig. Vielleicht sah sein hohes Paar nicht mehr so gut aus. Er fuhr sich mit der Hand über den Mund, bevor er seine Jetons in den Pot schob. Mittlerweile lagen über einhunderttausend Dollar auf dem Tisch.
    Der Croupier drehte die Turn-Karte um. Pik-Zehn. Harrys Zehennägel kräuselten sich. Sie hatte ihre Straße. Mit einiger Anstrengung versuchte sie, eine neutrale Miene aufzusetzen, während sie gleichzeitig nicht völlig erstarren wollte. Keiner verriet eine Gewinnhand leichter als der Spieler, dem der Atem stockte. Sie spürte Rousseaus Blick auf sich.
    »Na, na«, sagte er. »Da frag ich mich, ob nicht jemand eine Straße aufgefüllt hat.«
    Er stützte sich auf die Ellbogen, hatte die Hände vor sich verschränkt, und seine weißen Nägel schimmerten fast fluoreszierend. Er musterte sie lange. Was hätte sie nur für eine dieser enganliegenden Sonnenbrillen gegeben!
    »Ihr Vater hätte geblufft und eine Straße vorgegaukelt«, sagte er. »Wie der Vater, so auch die Tochter?«
    Harry zuckte mit den Schultern. »Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
    Ruhig und ohne die Miene zu verziehen, baute Rousseau zwanzig purpurfarbene Jetons zu zwei Stapeln auf und schob sie in die Mitte. Zwanzigtausend Dollar.
    Die dünne Frau drückte sich die Hand an den Mund, als wollte sie das Zittern ihrer Lippen unterbinden, schüttelte den Kopf und stieg aus.
    Harry gestand Rousseau einen König im Bunker zu, dazu einen Kicker, mit dem er ein zweites Paar bilden konnte. Sie zählte ihre Jetons ab und fuhr, um sich Glück zu wünschen, mit den Knöcheln über den Tisch, eine abergläubische Bewegung, die sie sich von ihrem Vater angeeignet hatte. Rousseau runzelte die Stirn, als erkenne er die Geste und als gefiele ihm nicht,

Weitere Kostenlose Bücher