Passwort: Henrietta
ihn die Frage. Dann schwenkte er seinen Drink und ließ die Eiswürfel klirren. »Warum sagen Sie mir nicht einfach, warum Sie hier sind?«
Harry zuckte mit den Schultern. »Es ist ganz einfach. Mein Vater hat bei Ihrer Bank ein Nummernkonto mit etwa zwölf Millionen Euro. Und ich will das Geld haben.«
Rousseau starrte sie an, dann warf er den Kopf zurück und lachte. »Und deswegen sind Sie gekommen? Um mich um das Geld Ihres Vaters zu bitten? Warum fragen Sie nicht einfach ihn?«
»Wie gesagt, er hatte einen Unfall. Er ist im Moment nicht ansprechbar.«
»Wie unpässlich. Aber was hat das alles mit mir zu tun?«
»Mein Vater hat mir viel über Sie erzählt.« Sie öffnete ihre Handtasche, nahm den zweiten Umschlag heraus und legte ihn auf die Marmorplatte der Theke. »Er hat mir alles über Ihre Investments gesagt.«
Rousseaus Blick ging kurz zum Umschlag. »Meine Investments gehen nur mich was an.«
»Nicht, wenn sich herausstellt, dass sie in Absprache mit einem Kunden geschahen, der wegen Insiderhandel verurteilt wurde. Wie würde das denn beim Führungsgremium der Rosenstock Bank aussehen?«
Er verstärkte den Griff um sein Glas, seine weißen Fingernägel wurden noch weißer. »Wenn Sie damit andeuten wollen, dass ich zu Sals Trading-Ring gehört habe, irren Sie sich gewaltig. Außerdem wissen Sie sicherlich um die gesetzliche Schweigepflicht der Banken in meinem Land, Ms. Martinez. Meine Geschäfte sind höchst vertraulich.«
»Oh, ich weiß alles über die Schweigepflicht der Banken, glauben Sie mir. Ich weiß auch, dass sie bei kriminellen Vergehen von Gesetz wegen aufgehoben werden kann. Und Insiderhandel gehört nun mal dazu.« Sie ließ den Blick über die opulent eingerichtete Präsidentensuite schweifen. »Sieht so aus, als hätten Sie viel zu verlieren.«
Rousseau setzte sein Glas mit einem Knall auf die Marmorplatte. Dann – einen Hauch zu spät – lächelte er sie an. Seine Vorderzähne standen leicht schief und waren nicht so weiß wie seine Fingernägel. »Was genau wollen Sie?«
Harry nahm den Umschlag zur Hand und zog ein halbes Dutzend gefaltete Blätter heraus. Sie strich den Knick glatt und überflog die Seiten, als hätte sie sie nie zuvor gesehen.
»Sie erinnern sich an EdenTech?«, sagte sie nach einer Weile. »Ein Software-Unternehmen, das 1999 an der NASDAQ gelistet war. Wurde im Mai des darauffolgenden Jahres von einer Schweizer Firma aufgekauft. Und jetzt schauen Sie sich das mal an.«
Sie drehte die Seite so, damit er sie sehen konnte, und zeigte auf die entsprechenden Stellen. Sie musste sich anstrengen, die Hände ruhig zu halten. Die Seite war überschrieben mit »Rosenstock Bank Archiv, Network Operations Centre«. Es handelte sich um einen von Matildas Berichten. Harry hatte, bevor sie aufgebrochen war, die Rezeptionistin im Nassau Sands Hotel darum gebeten, kurz ihren Drucker benutzen zu dürfen.
»Das sind die archivierten Trades meines Vaters«, sagte sie. »Laut diesem Eintrag hatte er am 28. April 2000 um zwei Uhr für dreihundertsiebenundsechzigtausend Dollar hundertfünfzigtausend EdenTech-Aktien gekauft. Das war zwei Wochen vor der öffentlichen Bekanntgabe, dass eine Schweizer Firma sie übernehmen wird.« Dann zeigte sie auf einen Eintrag weiter unten auf der Liste. »Und hier, sehen Sie: Drei Wochen später verkaufte er die Anteile für achthundertneunundvierzigtausend Dollar. Ein netter Gewinn.«
»Und?«
»Hier ist noch einer. ›Boston Labs‹. Die waren im Mai 2000 bankrott, konnten noch nicht mal mehr ihre Angestellten bezahlen. Dann wurden sie von einem großen amerikanischen Unternehmen aufgekauft. Aber sehen Sie, eine Woche bevor irgendjemand von der Übernahme wusste, kaufte mein Vater eine ganze Menge von Boston-Labs-Anteilen. Und, was für eine Überraschung, zwei Wochen später verkaufte er sie wieder mit riesigem Profit.«
»Worauf wollen Sie hinaus, Ms. Martinez?« Rousseau griff zur Kristallkaraffe und füllte sein Glas nach. »Sals Insidergeschäfte sind doch allgemein bekannt.«
»Da haben Sie recht. Obwohl die Behörden von diesem Investmentkonto nie erfuhren. Aber es stimmt schon, das alles ist nicht neu.« Harry blätterte durch den Bericht. »Neu ist allerdings, dass mein Vater einen Schatten hatte.«
Rousseau hielt mitten in der Bewegung inne, als er das Glas an die Lippen führen wollte. Harry fuhr fort.
»Jemand machte ihm alles nach. Wenn er kaufte, kaufte auch der andere. Wenn er verkaufte, verkaufte auch er. Jedes
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