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Passwort: Henrietta

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Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
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nicht wahr? Aber Sie haben ja keine Ahnung, was Sie von mir verlangen. Überhaupt keine Ahnung.«
    Er stieß sich von der Theke ab, schritt in die Mitte des Raums, breitete die Arme aus und drehte sich einmal um die Achse wie ein Wetterhahn. Er sah sie an.
    »Schauen Sie sich um.« Er hatte die Handflächen nach oben gerichtet, ließ seinen Blick schweifen und schien mit seinen gestreckten Armen alles erfassen zu wollen: die verzierte Kuppeldecke, den Präsidententisch und die öden, aber vermutlich unschätzbaren Ölgemälde an den Wänden. »Wissen Sie, was ich durchgemacht habe, um hierherzukommen? Wissen Sie, wo ich angefangen habe?« Er deutete mit dem Finger auf sie. »Ich habe in dieser Bank als Laufbursche angefangen, als ich siebzehn war. Ich habe den Leuten die Sachen von der Reinigung geholt, ihnen Plätze in den tollen Restaurants reserviert. Ihnen zum Frühstück die Donuts gebracht. Aber wissen Sie, was ich noch getan habe?«
    Er begann auf sie zuzugehen und betonte jedes Wort, indem er mit der Faust gegen die offene Handfläche schlug. »Ich habe gelernt, meine Netzwerke aufzubauen. Wie ich mich anderen nützlich machen kann. Den richtigen Leuten. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die besten Restaurants zu kennen, die besten Amüsierkneipen. Ich habe in ausgefallenen Lokalen reserviert, von denen keiner gehört hatte und die auf die Kunden Eindruck machten. Ich hatte Aufzeichnungen über alle Führungskräfte der Bank, über die Geburtstage ihrer Frauen, die Namen ihrer Kinder. Ich habe mich unentbehrlich gemacht. Und ich bin aufgestiegen, früher war ich Laufbursche, jetzt, verdammt noch mal, leite ich fast die ganze Bank.«
    Er war bei Harry angekommen, beugte sich vor und legte die Hände auf die Armlehnen ihres Hockers. Sie roch seinen scharfen Whiskeyatem.
    »Und jetzt sagen Sie mir: Warum sollte ich das alles aufs Spiel setzen und in meiner eigenen Bank etwas abziehen, was einem Selbstmord gleichkommt?«
    Harry hoffte, er roch nicht ihre Angst oder den Schweiß, der ihr über den Rücken lief. Sie nahm den Umschlag und wedelte damit vor seinem Gesicht herum. »Denken Sie an die Folgen, wenn das hier an die Öffentlichkeit kommt. Ich an Ihrer Stelle würde mich für die Option entscheiden, die weniger Risiken birgt, und einfach die Akten austauschen.«
    Schnaubend richtete Rousseau sich auf. Harry ergriff die Gelegenheit und glitt vom Hocker. Sie warf den Umschlag auf die Theke und ging zur Tür.
    »Ich habe die Kontonummern auf das erste Blatt geschrieben«, sagte sie. »Der Austausch muss vollzogen sein, bevor die Bank morgen früh aufmacht.«
    Mit der Hand auf dem Türknauf drehte sie sich noch einmal zu ihm um. Er hatte das Whiskeyglas in der Hand, dann kippte er den Inhalt hinunter.
    »Nur damit Sie es wissen«, sagte sie. »Von diesen Berichten sind mehrere Kopien im Umlauf. Ich kann die Informationen vorerst unter Verschluss halten, aber sollte mir irgendwas zustoßen, fliegt alles auf.«
    Rousseau sah sie lange an, während er sich nachschenkte. Sie wünschte, die Drohung würde den Tatsachen entsprechen und wäre nicht etwas, was sie sich gerade ausgedacht hatte.
    Er lehnte sich wieder an die Theke und betrachtete sie. »Ich denke, Sie bluffen.«
    »Schon vergessen, dass ich nicht mein Vater bin? Ich bluffe nicht.«
    Rousseau salutierte ihr mit dem Glas und lächelte.

[home]
    48
      
    G erade noch rechtzeitig«, sagte Leon. Quinney neben ihm tastete nach dem hochgeklappten Kinosessel.
    »Warum zum Teufel treffen wir uns hier?« Quinney beugte sich nach unten, um zu sehen, was er tat. Sein kahler Kopf glänzte im flackernden Licht der Leinwand. »Was für ein stinkendes Rattenloch.«
    Leon sah sich im leeren Kino um und zuckte mit den Schultern. Es war feucht und modrig und roch nach dem Regen vom Vortag. Das Gebäude war seit fast fünfzig Jahren nicht mehr renoviert worden und sollte in nächster Zeit zu einer Bingohalle umgebaut werden. Quinney hatte recht, es war ein stinkendes Loch. Aber es war auch sicher. Leon rutschte tiefer in seinen Sessel der letzten Reihe und zog den Anorak wie einen Kokon um sich. Er hatte in den vergangenen zwei Tagen viel Zeit hier verbracht. Seitdem er gehört hatte, was Sal zugestoßen war.
    »Hier mein Bericht«, sagte Quinney und hielt einen weißen Umschlag hoch. Dann zögerte er und schien die leeren Chipstüten auf dem Boden und Leons zerknitterte Kleidung zu betrachten. Er zog den Umschlag zurück. »Erst das Geld.«
    Leon schnaubte, fasste in

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