Passwort: Henrietta
spät. Ich brauche es heute. Ich muss einen Flieger erwischen.«
Sie sah, wie Johnsons Kiefer zuschnappten. Sie änderte ihre Marschrichtung.
»Folgendes«, sagte sie. »Sie treiben die Summe heute noch auf, und ich lasse einhunderttausend Dollar auf dem Konto, damit es nicht aufgelöst wird. Ich werde Ihrem Boss schreiben und Ihre Verdienste hervorheben, die mich davon überzeugt haben, weiterhin bei Ihnen Kundin zu bleiben. Im anderen Fall werden Sie die Verantwortung dafür übernehmen müssen, wenn Sie mich als Kundin verlieren. Mal sehen, Ihr Boss ist Philippe Rousseau, nicht wahr?«
Johnson traten fast die Augen aus dem Kopf. Es war ihm anzusehen, wie er die Fakten gegeneinander abwog: die Schande, eine stinkreiche Kundin verloren zu haben, oder einer Kundin entgegenzukommen, der er nicht traute. Schließlich warf er seinen Stift auf den Schreibtisch.
»Gut. Aber es wird ein paar Stunden dauern.«
»Wie viele?«
Er zuckte mit den Schultern. »Vier, vielleicht fünf.«
»Machen Sie drei daraus.« Harry stand auf. »Kann ich hier irgendwo warten und ein paar Telefonate führen?«
Johnson erhob sich hinter seinem Schreibtisch und öffnete zu seiner Linken eine Tür. Harry trat an ihm vorbei in einen kleinen, mit Regency-Stühlen und einem Schreibtisch ausgestatteten Vorraum. Als sie allein war, zückte sie ihr Handy und rief Ruth Woods an. Niemand meldete sich. Sie hinterließ eine Nachricht.
»Ruth, hier ist Harry. Zeit für Ihre Story, aber wir müssen schnell sein. Ich habe etwas, das der Prophet will, und ich werde es einsetzen, um ihn aufzuscheuchen. Ich brauche Sie, damit Sie Ihre Polizeikontakte spielenlassen. Wir müssen diesem Dreckskerl eine Falle stellen. Rufen Sie mich zurück.«
Harry ging im Zimmer auf und ab, heckte einen Plan aus und versuchte, nicht an ihren Vater zu denken. Sie musste jetzt die Polizei einschalten, sie hatte keine andere Wahl mehr. Aber eines wusste sie mit Gewissheit: Sie konnte das Geld nicht hergeben.
Sie schritt noch immer auf und ab, als Johnson schließlich auftauchte. Es hatte letztlich nur zwei Stunden gedauert. Er führte sie zurück in sein Büro und schloss die Tür. Dann deutete er auf den Schreibtisch, der nun völlig leer war. Das Einzige, was noch darauf lag, war ein Rollkoffer.
»Machen Sie ihn auf«, sagte er.
Harry zögerte, dann hob sie den Deckel an. Der Koffer war mit großen purpurfarbenen Geldscheinen gefüllt. Sie waren zu ziegelsteingroßen Bündeln gepackt und dicht an dicht in den Koffer geschichtet. Die Scheine waren glatt und sauber, als wären sie gebügelt worden. Harry griff ein Bündel heraus. Darunter kamen weitere Schichten zum Vorschein. Wie eine Pralinenschachtel, dachte sie. Sie ließ die Kanten der Scheine durch die Finger gleiten und strich mit dem Daumen über den obersten im Bündel. Die Scheine fühlten sich fast wie Baumwolle an, am Rand wiesen sie reliefartige Muster auf. Langsam legte sie das Bündel in den Koffer zurück.
»Wollen Sie es zählen?«, fragte Johnson.
Harry schüttelte den Kopf. Sie ließ den Deckel zuschnappen.
Johnson reichte ihr ein Blatt. »Sie müssen dieses Abhebungsformular und die Quittung unterschreiben.«
Ihre Hand zitterte, als Harry die Unterschrift hinkritzelte. Johnson zeichnete gegen und reichte ihr die Kopien, dazu einen weißen Umschlag.
»Das ist eine Vollmacht der Bank. Damit kommen Sie am Flughafen durch den Security-Check und den Zoll, ohne Fragen beantworten zu müssen.«
Harry nickte dankbar und stopfte den Umschlag in ihre Handtasche. Dann spannte sie die Muskeln an, packte den Koffer und wuchtete ihn vom Schreibtisch. Er zerrte an ihrem Arm, mit einem dumpfen Schlag verschoben sich innen die Geldbündel. Sie zog den ausziehbaren Handgriff heraus und rollte den Koffer zur Tür.
Johnson begleitete sie durch den Gang und hinunter ins Erdgeschoss. Keiner von beiden sagte ein Wort. Er blieb im Aufzug zurück, während sie mit dem Koffer im Schlepp ins Foyer trat. Dann drückte sie die Türen auf und ging mit fünfzehn Millionen Euro ins Sonnenlicht hinaus.
[home]
50
D ie Maschine setzte zum Landeanflug auf den Flughafen Dublin an.
Harry hielt sich an den Armlehnen ihres Sitzes fest. Sie hatte seit fast vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen. Nur mit Mühe konnte sie die Augen offen halten und beobachtete die anderen Passagiere. Sie musste zugeben, keiner von ihnen sah aus, als würde er sie gleich abmurksen.
So weit, so gut.
Keiner hatte sie auf dem Flughafen
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