Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Passwort: Henrietta

Passwort: Henrietta

Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
Vom Netzwerk:
die beigefarbenen Türen und erwartete insgeheim, dass Glen auftauchte. Unten in ihrer Tasche vibrierte ihr Handy. Sie holte es heraus. Wieder Ruth Woods. Harry schaltete das Handy ab. Sie würde sie später zurückrufen. Ihre Begleiterin öffnete am Ende des Gangs eine Tür, und Harry schlüpfte hinein. Diesmal wartete ihr Banker bereits auf sie.
    Er saß hinter einem mit Papieren überfüllten Schreibtisch. Er war Ende fünfzig, hatte rotbraune Haut und eine versteinerte Miene. Kurz herrschte Schweigen. Harry hörte das Klicken der Tür, die hinter ihr geschlossen wurde. Dann stand er auf.
    »Ich bin Owen Johnson«, sagte er.
    Er hatte die Statur eines übergewichtigen Rottweilers. Sein fassförmiger Körper war eine feste Masse aus dicken Muskelsträngen und Fett, seine Kiefer sahen so kräftig aus, als könnte er ihr damit den Arm durchbeißen. Harry durchquerte den Raum und reichte ihm ihre feuchte Hand.
    »Ich bin Harry Martinez«, sagte sie.
    Seine großen Kugelaugen musterten sie. »Ich glaube nicht, dass wir uns schon kennengelernt haben.«
    Es war keine Frage. Harry hätte jede Summe darauf gewettet, dass sich Owen Johnson an jedes Gesicht erinnerte, das er gesehen hatte. Sie lächelte, schüttelte den Kopf und versuchte, wie eine Multimillionärin auszusehen und nicht wie eine Hackerin, die Lügengeschichten auftischte.
    Johnson nahm wieder Platz und deutete auf einen Stuhl gegenüber mit gerader Lehne. Sie setzte sich. Die Möbel waren funktionaler als in Glen Hamiltons Büro. Der Schreibtisch solide und schlicht, die Stühle stabil. Keine wertvollen Antiquitäten oder silberne Kaffeeservice, die das Geschäftliche beeinträchtigen konnten. Ob die Banker hier ihre Inneneinrichtung selbst auswählen konnten?
    Johnson räusperte sich und sah stirnrunzelnd auf die Papiere vor sich. Harry versteifte sich. Eine Manila-Aktenmappe lag aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch. Die Klemmfeder war gelöst, die Papiere waren nach oben gesprungen und füllten beinahe die Mappe aus. Die Seiten waren zerknittert und abgegriffen. Es musste die Akte ihres Vaters sein.
    Harry durchbrach das Schweigen. »Ich hoffe, Sie haben mein Fax bekommen. Wie darin ausgeführt, möchte ich mein Vermögen so schnell wie möglich auf ein anderes Konto überweisen.«
    Sie reichte ihm die Kopie des Faxes. Er betrachtete es, gab aber durch nichts zu erkennen, dass er es schon einmal gesehen hatte. Sie holte den Pass aus ihrer Handtasche und reichte ihn ihm. Johnson schlug die Seite mit dem Foto auf und betrachtete es stirnrunzelnd. Dann entnahm er der Mappe ein Dokument und hielt es zum Vergleich daneben. Harry hielt den Atem an. Sie versuchte, seine Miene zu entziffern, aber sein Gesichtsausdruck änderte sich kein bisschen. Er sah sie an. Sie wollte schlucken, verkniff es sich jedoch.
    Ohne ein Wort klappte Johnson den Pass zu und schob ihn ihr über den Schreibtisch hin. Er gab das andere Dokument in die Mappe, dabei bekam sie kurz das Foto zu sehen, das an das oberste Blatt geheftet war. Die Unterschriften verdeckten das halbe Gesicht, aber die dunkle Lockenpracht war nicht zu verkennen. Ihre Lungen nahmen ihre Tätigkeit wieder auf. Es war ihr eigener Antrag. Rousseau hatte sie ausgetauscht.
    »Darf ich fragen, ob Sie mit den Diensten der Rosenstock Bank zufrieden gewesen waren?«, fragte Johnson.
    »Oh, absolut.« Ihr Herz pochte. »Ich habe im Moment mit dem Geld nur was anderes vor.«
    Johnson verschob seine wuchtige Masse, lehnte sich in seinem Sessel zurück und faltete die Hände. »Seltsam. Ich habe diese Akte bislang erst einmal gesehen, damals, als ich sie übernommen habe. Das ist acht Jahre her. Ich erinnere mich an den Namen Martinez.« Er fixierte sie mit starrem Blick. »Aber irgendwie hatte ich immer das Gefühl, unser Pirata-Kunde sei ein Mann.«
    Harry versuchte zu lächeln, aber ihr Gesicht war wie eingefroren. »Das liegt wahrscheinlich am Namen. Harry, meine ich. Die Leute sehen da immer jemand anderen vor sich.«
    Er legte die Fingerspitzen aneinander und sah sie unumwunden an. »Sicherlich. Sicherlich wird es daran liegen.«
    Dann reichte er ihr neben ihrem Original-Fax von einem der Stapel auf seinem Schreibtisch ein Formular. »Vielleicht könnten Sie das ausfüllen, damit ich die Überweisung veranlassen kann.«
    Harry betrachtete das Formular. Die Angaben waren kurz und bündig und verlangten die beiden Kontonummern, die Höhe des überwiesenen Betrags und natürlich ihr Codewort sowie ihre Unterschrift. Es gab

Weitere Kostenlose Bücher