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Passwort: Henrietta

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Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
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war schwierig gewesen. Zu viel Blut.
    Erneut griff er in die Schale und fischte ein weiteres Briefchen heraus. Es zeigte einen grinsenden Matador in blauer Kleidung, dahinter einen dumm dreinblickenden Stier, der auf dem falschen Fuß erwischt worden war. Cameron lächelte. El Torero. Er schnippte mit dem Daumen gegen das Briefchen und erinnerte sich an die dunkelhaarige Bedienung in Madrid. Es war schon das zweite Mal in zwei Tagen, dass er an sie dachte. Unwillkürlich lief ihm ein Schauer über den Rücken. Bei ihr hatte er seine Hände eingesetzt und sie ihr um den Hals geschlungen. Er umfasste sein rechtes Knie und hielt es fest, bis das Wippen aufhörte. Dann ließ er das spanische Briefchen in die Schale fallen. Wäre schade, wenn er es jetzt dafür vergeudete. Die Streichhölzer vom Dove mussten reichen.
    Cameron zog sich einen leeren Mülleimer aus Metall heran und stellte ihn sich zwischen die Beine. Er beugte sich darüber, schlug das grüne Streichholzbriefchen auf und bog das Deckblatt nach hinten. Drinnen befanden sich zwei dicht übereinandergepackte Lagen Streichhölzer. Er hebelte sie nach oben, eines nach dem anderen, und drückte die beiden Lagen auseinander. Dann brach er ein einzelnes Streichholz ab und zündete sich damit erst die eine, dann die andere Zigarette an. Er zog an beiden, inhalierte tief, schloss die Augen und genoss die schwindelerregende Wirkung des Nikotins.
    Die erste Zigarette legte er zurück auf den Aschenbecher; die zweite schob er der Länge nach in das Briefchen zwischen die beiden Streichholzlagen, so dass die rosafarbenen Köpfchen auf der Zigarette zu liegen kamen. Das glühende Ende stand an der einen Seite einige Zentimeter heraus. Er legte das Briefchen flach auf den Mülleimerboden und sah auf seine Uhr. 18:35 Uhr.
    Cameron lehnte sich auf dem Stuhl zurück, zog an seiner Zigarette und beobachtete den Rauchfaden, der sich aus dem Mülleimer kräuselte.
    Der Anruf war am Nachmittag eingetroffen. Er war versucht gewesen, einfach wieder aufzulegen und sich wie ein Fötus in seinem Sessel zusammenzurollen. Aber er nahm nun schon so lange Befehle entgegen, dass er nicht mehr nein sagen konnte. Und als er hörte, worum er gebeten wurde, hatte er auch gar nicht mehr nein sagen wollen.
    Cameron klopfte die Zigarettenasche auf den Boden und warf einen Blick auf die vollgestellte Küche. Das gesamte Cottage war für Pygmäen gebaut. Großartig, wenn man ein unterernährter Zwerg war, für seine geschmeidige Gestalt war es einfach nur scheißunbequem. Durch das Gnomenfenster war der Deansgrange Cemetery mit seinen trübseligen Engeln und gesichtslosen Grabsteinen zu sehen. Er zahlte keine Miete für dieses Puppenhaus; das machten andere für ihn. Trotzdem war es an der Zeit weiterzuziehen. Vielleicht würde er es beim nächsten Telefonat mal erwähnen. Er drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. Sein Bein begann wieder zu wippen. Er kam einfach nicht davon los. Es würde immer einen nächsten Anruf geben.
    Cameron beugte sich vor und inspizierte die Zigarette im Müllkorb. Die grauweiße Asche war gut zwei Zentimeter lang. Er sah zu, wie die Glut das Zigarettenpapier verschlang und immer näher an die prallen Streichholzköpfchen rückte.
    Als Verzögerungsmechanismus war es ziemlich primitiv, aber genau darin lag sein Reiz. Mach etwas zu kompliziert, und die Chancen standen gut, dass es in die Hosen ging. Er hatte mal einen Typen gekannt, der sein Lagerhaus durch einen paraffingefüllten Ballon abfackeln wollte. Er hatte den Ballon an die Decke gehängt und über einer brennenden Kerze zum Schwingen gebracht. Laut seiner Theorie sollte der Ballon, wenn er ausgeschwungen hatte, genau über der Kerze zum Stillstand kommen, die Flamme würde ein Loch hineinbrennen, das Paraffin herausfließen und sich entzünden. Zu diesem Zeitpunkt wäre der Typ bereits meilenweit weg und würde sich um sein Alibi kümmern.
    Natürlich war es schiefgelaufen. Der blöde Idiot hatte viel zu viel Paraffin genommen, es war wie die Wassermassen der Niagarafälle herausgedonnert und hatte die Kerze erstickt.
    Besser also, man hielt sich an das Einfache. Das mit dem Streichholzbriefchen hatte Cameron schon mal gemacht, dabei allerdings die Zeit falsch eingeschätzt, die ihm blieb, um sich selbst in Sicherheit zu bringen. Er hatte einfach zu lang gewartet. Die züngelnden Flammen waren bereits an ihm vorbei, sie hatten den Ausgang blockiert und jedes Mal, wenn er ihnen zu nahe kam, ein Schattenboxen

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