Passwort: Henrietta
die Neonlichter flackerten und die Hitze einem das Atmen erschwerte. Im Foyer wimmelte es vor Teenage-Hackern, und bei der Vorstellung, jetzt zu allem dazuzugehören, war sie hin und weg.
Sie hatte sich umgesehen und alles in sich aufgesogen. Die Welt der Hacker war damals von Männern dominiert. Typen mit Tattoos und Lederjacken trafen sich mit Kids, die aussahen, als ließen sie sich liebend gern von ihrer Mami einkleiden. Einige saßen in der Ecke und diskutierten über die neuesten Hacker-Tools, während andere bereits um zwei Uhr nachmittags sternhagelvoll waren.
Es hatte zwei Registrierschlangen gegeben: eine für die Weißhüte und eine für die Schwarzhüte. Harry und ihr Vater hatten sich in die respektable Weißhut-Schlange gestellt, trotzdem musste sie verstohlene, faszinierte Blicke auf die
tough guys
in der anderen Schlange werfen. Sie lauschte deren Gesprächen und erkannte einige der verrufensten Hacker ihrer Zeit.
»Siehst du den Typen dort drüben?«, hatte sie ihren Vater gefragt und ihn angeschubst. »Der in den schwarzen Klamotten? Er nennt sich Tomahawk. Er ist ins Telefonnetz von AT &T eingebrochen und hat dort ziemliches Chaos veranstaltet.« Wieder zupfte sie an seinem Ärmel. »Und den trottelig aussehenden Typen neben ihm? Das ist Apollo. Er soll angeblich das FBI infiltriert haben.« Es fiel ihr schwer, die ehrfürchtige Bewunderung in ihrer Stimme zu verbergen.
Ihr Vater hatte sie einen Augenblick lang nur angesehen. Dann hatte er sie am Ellbogen gepackt und war mit ihr zur Schwarzhut-Schlange gewechselt. »Dann spielen wir auf Risiko, oder?«, hatte er ihr gesagt.
Irgendwo vor ihnen ertönte eine Hupe. Harry konzentrierte sich wieder darauf, wo sie sich befand. Durch Judes gleichmäßig gemächliche Fahrweise kamen sie sogar in der Stoßzeit gut voran, und zum Flughafen war es nicht weit.
Vor ihnen tat sich eine Lücke auf. Jude bremste ab, um einen Minivan einfädeln zu lassen. Sie hätte darauf gewettet, dass er immer so fuhr: höflich, ohne anzugeben, mit so viel Pep wie eine Schildkröte.
»Beschleunigen Sie denn nie?«, fragte sie.
»Nicht bei so einem Verkehr. Völlig sinnlos. Außerdem ist hohe Geschwindigkeit gefährlich.«
Harry rollte mit den Augen.
»Also, was war das für ein Wettbewerb?«, fragte Jude.
»Was?«
»Die Tasche. Wie haben Sie sie gewonnen?«
»Oh. Bei einem Social-Engineering-Wettbewerb.« Sie bemerkte seine leere Miene und beeilte sich, es ihm zu erklären. »Von Social Engineering spricht man, wenn Hacker andere dazu überreden, vertrauliche Informationen rauszurücken. Es werden also irgendwie Menschen geknackt und nicht Computer.«
Jude zog eine Augenbraue hoch. »Klingt für mich unmoralisch.«
»Oh, das ist es auch. Aber das macht auch den Spaß daran aus.« Sie reizte ihn und wusste es auch.
Er hielt den Blick auf die Straße gerichtet. »Was mussten Sie machen?«
»Uns wurde ein Name und die dazugehörige Telefonnummer gegeben, und derjenige, der als Erster die Kontodaten der Person samt seiner PIN für den Bankautomaten herausfand, war der Gewinner.«
»Klingt für mich wie ein Trainingslager für Telefonbetrüger.«
»War es wohl auch.« Harry sah einem Flugzeug hinterher, das gerade zur Landung ansetzte.
»Und?«, sagte Jude. »Wollen Sie mir nicht sagen, wie Sie es geschafft haben?«
»War nicht schwer. Ich hab den Typen angerufen und gesagt, ich sei von der Abteilung für Betrugsbekämpfung. Ich hab ihm erzählt, in der vergangenen Woche sei mit seiner Karte mehrmals mitten in der Nacht Geld abgehoben worden, insgesamt über dreitausend Dollar, und ich wollte nur mal nachfragen, ob das alles mit rechten Dingen zuging. Der arme Kerl wäre beinahe in Ohnmacht gefallen.«
»Kann ich ihm nicht verdenken.«
»Na, ich war sehr freundlich, wies ihn aber darauf hin, dass er trotzdem für die Schulden auf seinem Konto haften würde. Dann sagte ich, na, vielleicht könnte man ja was machen, vielleicht könnte ich entgegen den Bestimmungen ja veranlassen, dass alles rückgängig gemacht wird. Ich tat so, als würde ich ihm einen großen Gefallen tun. Dafür müsste er mir nur seine Kontodaten und seine PIN -Nummer geben, und ich würde die Abbuchungen auf der Stelle löschen. Er konnte mir gar nicht schnell genug die Zahlen aufsagen.«
Jude schüttelte den Kopf, und Harry hätte schwören können, ihn missbilligend mit der Zunge schnalzen gehört zu haben.
»Und damit haben Sie gewonnen?«
»Eigentlich bin ich nur Zweite geworden. Ich
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