Passwort: Henrietta
hielt. Nur um dann festzustellen, dass sie keiner haben wollte. Chevron, so hieß das Papier.« Er schüttelte den Kopf. »Ich hatte nie zuvor so viel auf eine Aktie gesetzt. Als der Kurs fiel, stand meine gesamte Karriere auf dem Spiel. Aber dann kam Ihr Vater.«
Harry spürte, wie sich ihr Kiefer verkrampfte. »Lassen Sie mich raten. Er bot Ihnen an, Sie rauszukaufen, und verscherbelte es später mit riesigem Gewinn?«
»Nein. Er sagte nur, ich soll nichts tun, nur die Aktie verfolgen.«
Harry warf ihm einen überraschten Blick zu. Ashford fuhr fort.
»Zwei Tage darauf erschien ein kleiner Artikel, in dem wurden Gerüchte erwähnt, wonach KSA Chevron erwerben wollte. Stimmte natürlich nicht, aber für hektische Kaufaktivitäten reichte es aus, genug, damit der Kurs einige Tage nach oben kletterte. Ich konnte meine Position abstoßen, bevor der Kurs wieder fiel.«
»Mein Vater spielte der Presse Falschinformationen zu?«
Er nickte. »Er wusste, spekulative Käufe würden mir aus der Patsche helfen. Das entsprach nicht den ethischen Grundsätzen, aber es rettete mir die Karriere. Und hätte ihn seine kosten können.«
»Na, eine nette Geschichte.« Harry packte ihre Tasche und wollte aussteigen. »Aber gegen ethische Grundsätze zu verstoßen ist meinem Vater nie besonders schwergefallen, glauben Sie mir.«
Ashford legte ihr die Hand auf den Arm. Sie wandte sich ihm zu und sah ihm in die großen, traurigen Augen.
»Er war wahrscheinlich nicht der beste Vater. Und, weiß Gott, Miriam hätte einen besseren Ehemann verdient gehabt.«
»Sie kennen meine Mutter?«
Er hielt inne und schien kurz an ihr vorbeizublicken. »Ich kenne sie sehr gut. Und ich weiß, was sie all die Jahre durchgemacht hat.« Wieder sah er ihr in die Augen. »Aber verstehen Sie, Sal war für mich trotzdem ein guter Freund. Und was immer Sie sagen mögen, Sie sind ihm tatsächlich sehr ähnlich.«
Harry schüttelte den Kopf. »Das meint meine Mutter auch. Deswegen mag sie mich auch nicht besonders.«
Sie ignorierte seinen überraschten Blick und wandte sich ab, aber dann fiel ihr Schrodinger wieder ein.
»Schrodinger hat ihn schließlich gefeuert, oder?«, sagte sie.
Ashford seufzte und nickte mit seinem großen Kopf. »Etwa ein halbes Jahr danach. Wegen eines Zwischenfalls, der damit nichts zu tun hatte.«
Ein Zwischenfall, der damit nichts zu tun hatte. Ihre Mutter hatte sich bitterlich beschwert über diesen Zwischenfall, und Harry verstand auch, warum. Ihr Vater war dabei ertappt worden, wie er Kundengelder unterschlug, und die Bank hatte ihn hochkant rausgeworfen. Er hatte kein Einkommen mehr, kein Haus und drückende Schulden wegen seines hochtrabenden Lebenswandels. Mit einer schwangeren Frau und einer kleinen Tochter bestand seine Lösung des Problems darin, dass er sich für einige Jahre aus dem Staub machte und von einem Pokerturnier zum nächsten zog. Er verpasste Harrys Geburt, und seine Frau musste allein mit allem zurechtkommen. Kein Wunder, dass ihre Mutter von romantischen spanischen Namen die Schnauze voll hatte.
Harry runzelte die Stirn. »Haben Sie ihm geholfen, wieder im Bankgewerbe Fuß zu fassen?«
Er nickte. »Das war viele Jahre später. Wir liefen uns über den Weg, und mittlerweile war ich in der Position, um ihm helfen zu können. Ich schuldete ihm einen Gefallen, also gab ich ihm eine Chance.«
Sie seufzte. Das war das Problem. Es gab immer jemanden, der bereit war, ihrem Vater eine weitere Chance zu geben.
Sie eingeschlossen.
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20
C ameron öffnete eine Marlboro-Schachtel und zog zwei Zigaretten heraus. Eine war für ihn, er würde sie rauchen, wenn er so weit war. Die andere würde ihm dabei helfen, jemanden umzubringen.
Er warf die Packung auf den Küchentisch und legte beide Zigaretten in den Aschenbecher. Mitten auf dem Tisch stand eine Obstschale aus Glas. Er zog sie zu sich heran. Sie enthielt seine Souvenirsammlung an Streichholzbriefchen. Mit dem Finger wühlte er darin herum, lauschte, wie sie gegen das Glas kratzten. Mittlerweile hatte er fast zwei Dutzend davon, jedes war ein Erinnerungsstück.
Er griff sich eines davon aufs Geratewohl und betrachtete das Deckblatt: ein fromm wirkender weißer Vogel auf grünem Hintergrund. Er drehte es um, nickte und erinnerte sich. The Dove Bar and Grill, Galway. Vor vier Jahren. Ein junges Barmädchen mit blondem Stachelhaar und einem tollen Mund. Unwillkürlich wippte Camerons rechtes Bein auf dem Fußballen auf und ab. Das Mädchen
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