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Passwort: Henrietta

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Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
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überqueren. Autos rauschten auf der halbkreisförmig um das Zollgebäude führenden Straße an ihr vorbei. Die Fahrer waren nur auf ihre Spurwechsel fixiert. Harry zuckte zusammen; sie musste an den Typen denken, der sie vor den Zug gestoßen hatte. Hatte er ursprünglich vorgehabt, sie auf diese Rennstrecke zu befördern?
    Zitternd blieb sie hinter den anderen Fußgängern zurück, tat so, als betrachte sie das Denkmal, und bemühte sich, Ruhe zu bewahren. Sie spürte die Wärme, die von der in einer großen schmiedeeisernen Kugel flackernden Flamme ausging, und musterte die Leute um sich. Zwei Männer mittleren Alters in Anzügen, ein jüngerer Typ mit Wollmütze, Frauen mit Buggys. Keiner von ihnen sah aus, als wolle er sie umbringen.
    Der Verkehr kam zum Stillstand, plötzlich setzten sich alle in Bewegung. Harry folgte ihnen in einigem Abstand, ihr Herz pochte. Als sie auf der gegenüberliegenden Seite den Bordstein betrat, zitterte sie am ganzen Körper. Sie wich vom Straßenrand zurück, ihr Mund war wie ausgedörrt. Großer Gott, würde es jetzt immer so sein, wenn sie eine Straße überquerte?
    Sie sah auf ihre Uhr. Sie war früh dran. Sie setzte ihre Tasche zwischen den Füßen auf den Boden und wartete auf Jude Tiernan.
    Vor ihrem Aufbruch in der Palace Bar hatte sie Ruth noch nach dem Geld aus den Trades ihres Vaters gefragt. Die Reporterin hatte nur mit den Achseln gezuckt. Laut ihren Quellen war da nichts mehr zu holen. Harrys Vater und Leon Ritch waren durch die vom Gericht festgelegten Bußgelder bankrottgegangen, und die Gewinne, die die übrigen Ringmitglieder eingesackt hatten, waren nicht aufzuspüren.
    Harry dachte an die anonymen zwölf Millionen Euro auf ihrem Konto. Jude wusste vielleicht mehr über die finanziellen Operationen des Rings. Das Geld musste irgendwo zu einer Spur führen.
    Schnurrend kam ein silberfarbener Jaguar vor ihr zu stehen, das Beifahrerfenster wurde nach unten gelassen. Sie trat darauf zu, beugte sich hinunter und nahm den Fahrer in Augenschein. Graue Haarbüschel, die eine Glatze umwehten. Es war Ashford, der Vorstandsvorsitzende von KWC .
    »Kann ich kurz mit Ihnen reden?«, fragte er.
    Harry zögerte und dachte leicht verlegen an ihre letzte Begegnung. Dann schüttelte sie den Kopf und setzte eine liebenswürdige Ich-würde-ja-gern-kann-aber-nicht-Miene auf.
    »Tut mir leid, ich bin mit jemandem verabredet«, antwortete sie.
    »Dauert auch nicht lange.«
    Kurz sah Harry auf den Verkehr, fand dort aber nichts, was ihr weitergeholfen hätte. Also glitt sie auf den Sitz, ließ allerdings die Tür offen und behielt einen Fuß auf dem Randstein, um ihm deutlich zu machen, dass sie nicht lange bleiben wollte.
    Sie spürte Ashfords Blick. Er musterte ihre Schrammen.
    »Ich habe gehört, Sie hatten einen Unfall«, sagte er. »Was für einen Unfall?«
    »Es war nichts, alles in Ordnung.«
    »Aber was ist passiert? Hat jemand …«
    »Keiner hat irgendwas.« Sie atmete tief durch. »Hören Sie, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich hab mit Ihrem Chef gesprochen und ihm gesagt, dass KWC die volle Verantwortung für den Vorfall übernimmt.«
    »Ja, ich weiß.« Wieder musste sie an ihr ungehobeltes Benehmen denken, das sie vor dem Konferenzraum gegenüber Ashford an den Tag gelegt hatte. Sie konnte ihm nicht in die Augen schauen. »Ich weiß es zu schätzen.«
    Er winkte ab. »Ich kenne Ihren Vater schon sehr lange. Es war das Mindeste, was ich tun konnte.«
    Die Erwähnung ihres Vaters ließ sie unruhig werden. Ihr linker Oberschenkel schmerzte, sie bereute es, den Fuß auf dem Randstein gelassen zu haben. Wieder spürte sie seinen Blick.
    »Ich würde Ihnen gern etwas über Ihren Vater erzählen, wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte er nach einer Weile.
    Harry betrachtete ihre Hände. Ihr war, als müsse sie sich die Ohren zuhalten.
    »Er war immer ein Einzelgänger, wissen Sie?«, sagte Ashford. »Mutig oder skrupellos, je nach Standpunkt. Aber ein Genie. Als ich ihn kennenlernte, arbeitete er für Schrodinger. Das war noch vor Ihrer Geburt.«
    Harry runzelte die Stirn. Schrodinger. Der Name schien vertraut, der Kontext allerdings vage.
    Ashford sah zum vorbeibrausenden Verkehr. »Er hat mir einmal die Karriere gerettet, müssen Sie wissen.«
    Harry umklammerte ihre Tasche fester. »Hören Sie, ich sollte los …«
    »Eine Sache, die mir über den Kopf wuchs«, fuhr Ashford fort. »Es ging um eine Aktie, die ich reif für die Übernahme

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