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Passwort: Henrietta

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Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
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mit ihm veranstaltet. Noch gut konnte er sich an den Geruch seiner versengten Haut erinnern. Er massierte sich die fein gekräuselte Narbe am rechten Arm, dort, wo er verbrannt worden war. Konnte von Glück sagen, dass er überhaupt noch lebend rausgekommen war. Diesmal wollte er es nicht drauf ankommen lassen.
    Wieder sah er zur Zigarette. Die Asche war über fünf Zentimeter lang. Er musste daran denken, wie alte Leute rauchten, sie steckten sich die Zigarette zwischen die Lippen, bis die Asche fast so lang war wie ihre Finger. Seine Mutter hatte es so gemacht, wenn sie hinter ihrem Laufgestell hergetappt war und ihn durch den Rauch missbilligend angesehen hatte; die Zigarette klebte an ihren Lippen, die Asche war gefährlich lang, fiel aber nie zu Boden. Schon immer war sie ihm alt vorgekommen. So alt, dass sie zum Schluss neunzehn Minuten gebraucht hatte, um sich aus ihrem Sessel herauszuarbeiten. Das wusste er, weil er sie einmal dabei gestoppt hatte.
    Erneut beugte er sich über den Mülleimer. Die glühende Spitze war fast da. Die rosa Köpfchen warteten wie reife Beeren, bereit aufzuplatzen. Er rückte etwas weg, nur für den Fall. Die heiße, orangefarbene Glut berührte das erste Köpfchen. Zischelnd entflammte sich das Streichholz. Dann entzündete sich das zweite Streichholz, das dritte, das vierte, bis das ganze Briefchen brannte. Ein Flammenband, drei Zentimeter hoch, tanzte über dem Briefchen und erfüllte die Luft mit Schwefelgeruch.
    Cameron sah auf seine Uhr: 18:44 Uhr. Neun Minuten. Er nickte. Neun Minuten, um den übrigen Brennstoff zu verteilen und die Wohnung zu verlassen, bevor sie ausbrannte. Er schloss die Augen und lächelte. Man hatte ihm gesagt, es soll wie ein Unfall aussehen. Ein heißes Kribbeln lief durch seinen Körper. Kein Problem.
    Unfälle waren schließlich seine Spezialität.

[home]
    21
      
    H arry stand am Randstein und sah Ashfords Jaguar nach. Nicht zum ersten Mal wunderte sie sich, wie unterschiedlich die Menschen ihren Vater wahrnahmen. Treuer Freund gegen durchgebrannten Vater; Finanzgenie gegen bankrotten Betrüger. Aber schließlich fiel es ihr ja selbst schwer, den Unterschied zu benennen.
    »Schnell, steigen Sie ein.«
    Ein schicker roter Saab war vor ihr zum Halten gekommen. Harry erkannte hinter dem Steuer Judes breite Schultern. Sie ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder und packte sich die Tasche auf den Schoß. Dann sah sie hinüber zu Jude, der sich abgewandt hatte und den Verkehr hinter sich beobachtete. Seine Footballspieler-Statur schien viel zu wuchtig für den Wagen. Mit der linken Hand hatte er den Schaltknüppel umfasst, die Hemdsärmel waren hochgerollt und gaben den Blick auf eine klobige Armbanduhr und einen stämmigen Unterarm frei. Kein Ehering.
    Harry lauschte auf das Ticken des Blinkers. Wie lange, fragte sie sich, wollte er sie eigentlich noch ignorieren. Schließlich reihte sich Jude in den Verkehr ein und ließ dem Fahrer hinter sich eine Dankesgeste zukommen. Eine Weile lang schwiegen sie.
    Wie zum Teufel sollte sie diesem halsstarrigen Typen irgendwelche Informationen entlocken?
    Dann wies Jude mit einem Nicken auf die Tasche in ihrem Schoß und fragte: »Was ist das?«
    »Mein Laptop.«
    »Nein, ich meinte das Logo.«
    »Oh.« Harry fuhr mit dem Finger über das silberne DefCon-Emblem. Der Totenschädel und die gekreuzten Knochen im Buchstaben »O« waren einmal tiefschwarz gewesen, mittlerweile aber zu einem gefleckten Grau abgewetzt.
    »DefCon«, sagte sie. »Das ist ein Hacker-Treffen, das jedes Jahr in Las Vegas stattfindet. Ich hab die Tasche bei einem Wettbewerb gewonnen, als ich dreizehn war. Mein Vater hatte mich mitgenommen.«
    Jude warf ihr einen ungläubigen Blick zu. »Ihr Vater hat Sie zu einem Hacker-Treffen mitgenommen?«
    Sie nickte. »Ja, na ja, er wusste, dass ich unbedingt hinwollte. Ich hab mir einiges überlegt, wie ich mitten in der Nacht von zu Hause abhauen könnte, aber meine Schwester hat mich verpfiffen. Statt es mir also zu verbieten, ist er einfach mitgekommen.«
    Sie musste bei der Erinnerung lächeln. DefCon galt als eine der berüchtigtsten Hacker-Versammlungen der Welt, und bei der Aussicht, mit einem Elternteil im Schlepptau dort aufzukreuzen, war ihr himmelangst geworden. Als sie dann aber im Alexis Hotel eintrafen, um sich für die Veranstaltung registrieren zu lassen, war es mit ihrer Aufsässigkeit vorbei. Hier war sie, dreizehn Jahre alt, im Herzen von Las Vegas, wo vierundzwanzig Stunden am Tag

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