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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Stehle
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Hintertreppe, die zum Keller hinunterführt, bleibt er stehen, bückt sich und kramt in seiner Tasche. Die Treppe liegt an der schattigen Seite der Villa, steile, moosbewachsene Stufen mit einem rostigen Eisengitter. Manchmal haben wir früher dort »Hexe im Keller« gespielt und uns gegenseitig Angst damit gemacht, an die Eisentür zu pochen.
    Ich merke, dass sich ein Klumpen in meinem Mund gebildet hat. Clara und ich waren einmal bei ihnen im Keller. Eigentlich nur im Vorraum. Es stank und wir dachten, Ratten in einer Ecke zu hören. Clara hat mir erklärt, dass nie jemand hineingeht, weil der Keller uralt ist und feucht. Mit neun glaubten wir noch, dass Geister dort hausten. Okay, ganz ernsthaft war das nicht mehr, aber von den Ratten waren wir auf jeden Fall überzeugt. Der Keller ist der älteste Teil des Hauses, bestimmt mehrere Hundert Jahre alt und ziemlich groß. Wie groß genau,weißniemand wirklich, weil keiner weiter geht als bis in den Heizungsraum, hat mir Clara erklärt. Ralf anscheinend schon. Er geht nämlich die Treppe hinunter, steckt einen Schlüssel ins Schloss, stößt die Tür auf.
    Ich sehe, dass auf dem Boden dahinter abgeschabtes Moos liegt. Vermutlich geht er diesen Weg nicht zum ersten Mal.
    Irgendwo höre ich Wasser tropfen.
    Einen Vogel.
    Im Keller vor Ralf ist es dunkel. Ein Lichtkegel. Ralf hat eine Taschenlampe angemacht. Raue, unverputzte Steine. Ich sehe einen Schatten davonhuschen. Vermutlich eine Ratte. Mich schüttelt es.
    Mit dem Schuh schiebt Ralf die Tür zu. Sie fällt beinahe lautlos hinter ihm ins Schloss.
    Ich muss an einen Film denken, den ich einmal gesehen habe. Dort war ein Raum, der nur so von Ratten wimmelte. Ein Mädchen aus unserer Klasse, Angi, wollte uns einmal weismachen, dass Ratten süß sind. Ich habe mich überwunden und einen Finger nach ihrer Ratte Fritzi ausgestreckt. Ihr Fell war weich und zart, wie das einer Maus. Ich erinnere mich, dass ich gedacht habe, die ist ja wirklich süß. Aber bevor ich irgendwas sagen konnte, war Fritzi schon an meinem Arm hochgeflitzt und auf meiner Schulter, ihr Schwanz an meinem nackten Hals. Ich habe geschrien und Angi hat ein paarWochen nicht mehr mit mir geredet, nachdem sie Fritzi gerettet hatte, weil ich mich wie wild geschüttelt hatte.
    Zu Hause Stille. Meine Eltern sind beide noch nicht da. Vielleicht ist das die Gelegenheit, noch einmal online zu gehen, zu schauen, ob nun endlich Ruhe ist. Aber eigentlich glaube ich das selbst nicht.
    Im Arbeitszimmer meiner Mutter riecht es nach ihr und nach den Blumen, die auf dem Fensterbrett stehen. Alles ist aufgeräumt, ordentlich sortiert. All die Unterlagen für Englisch, abgeheftet in den verschiedenen Ordnern. Meine Finger gleiten über den Computer, finden den Anschaltknopf. Der Kasten beginnt zu summen, fährt sich unendlich langsam hoch. Ich habe Angst, dass sie nach Hause kommen, bevor ich eingeloggt bin.
    Auf dem Schreibtisch liegt eine Mappe mit Klassenarbeiten der Sechsten und ein Buch mit dem Titel ›Sportleistungen fair bewerten‹. Als ob das möglich wäre. Meine Mutter hat früher immer versucht, mit mir zu trainieren, sie wollte keine Sportniete zur Tochter. Als ich zum zwanzigsten Mal den Ball eher hinter mich als nach vorn geworfen habe, hat sie geseufzt und gefragt: »Wie dein Vater! Warum fand ich seine Tollpatschigkeit früher nur so süß?«
    Ich musste grinsen. Mein Vater ist wirklich der größte Tollpatsch, den es gibt. Er kann nicht einmalin Flip-Flops gehen, ohne ständig rauszukippen. Dafür spielt er wunderbar Gitarre. Damit hat er wohl meine Mutter rumgekriegt …
    Endlich. Ich klicke auf den Browser. Wieder baut sich alles unendlich langsam auf. Mein Vater hat einen schnellen Rechner im Büro und meine Mutter behauptet, das Ding wäre für ihre Zwecke völlig ausreichend. Außerdem hat sie ja noch das BlackBerry. Ich würde ja wahnsinnig werden, wenn es immer so ewig dauern würde, bis ich mal im Internet bin.
    Ich zucke zusammen. Vor dem Fenster huscht etwas vorbei. Bevor ich überhaupt denke, bin ich schon aufgesprungen, reiße das Fenster auf und beuge mich weit hinaus. Jemand verschwindet gerade durch das Gartentor. Ich könnte schwören, dass es Marco ist. Aber das kann doch gar nicht sein! Schließlich hat der keine Ahnung, wo ich wohne, und was sollte er auch bei mir. Anscheinend fange ich schon an, unter Verfolgungswahn zu leiden.
    Ich schlucke, schließe das Fenster, nachdem ich ein Blatt, das hereingeweht wurde, wieder

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