Pasta Mortale
der
Mann aus dem Fernen Osten eine nicht zu übersehende Narbe auf der rechten
Wange. Das war genau das, was sich Palinski schon immer unter einem
ausgewachsenen Ganovengesicht vorgestellt hatte. Wenn die beiden neben Juri die
waren, von denen er dachte, dass sie es waren, dann würde Wilma heute Abend
wieder sauer auf ihn sein. Denn da war an ein rechtzeitiges Erscheinen im
›Cobenzl‹-Grill nicht zu denken.
Das Einzige, was jetzt noch helfen konnte, war
selbstbewusstes Auftreten. Diese internationalen Halsabschneider glaubten ja
sonst wirklich, sie könnten sich hier alles erlauben.
Inzwischen hatte der Priester die Fensterscheibe des dicken
Brummers heruntergelassen. »Können wir Ihre Zeit kurz in Anspruch nehmen,
Signore? Es soll Ihr Schaden nicht sein.«
Palinski ignorierte den Mann, blickte nur auf Juri
Malatschew.
»Geht es dir gut, Alter?«, wollte er wissen. »Hat
man dich mit Respekt behandelt oder versucht, dich irgendwie in deiner
Bewegungsfreiheit einzuschränken?«
»Nein, nein, alles in Ordnung«, brummte der Russe.
»Die Cherren sind nur ungeduldig. Ich habe dir ja berichtet, an welchem
Geschäft sie besonders interessiert sind.«
»Heißt das, dass du jederzeit aus dem Auto
aussteigen kannst, wenn du das möchtest?«, Palinski versuchte jetzt, bewusst
grimmig zu wirken. ›When in Rome, do as the Romans do‹ war immer schon einer
seiner Leitsätze gewesen. Und nicht nur, wenn zufälligerweise ein hoher
Repräsentant des Vatikans im Spiel war. »Wenn du also jetzt aussteigen
wolltest, würde dich niemand daran hindern?«
»Of course not«, entfuhr es dem asiatischen Narbengesicht,
der damit zu verstehen gegeben hatte, dass er ebenfalls der deutschen Sprache
mächtig war.
»Was denken Sie von uns?«, empörte sich der Priester.
»Natürlich ist Rasputin jederzeit Herr seiner Handlungen. Nicht wahr?« Er
blickte Juri an, der missmutig brummend bestätigte. »Alles klar, Mario, steig
bitte ein. Wir müssen sprechen.«
»Gut«, Palinski öffnete die Beifahrertür und nahm auf dem
Sitz neben dem Chinesen Platz. »Wir fahren jetzt weiter geradeaus und bei der
nächsten Ampel nach links«, wies er ihn an. »Ich sage Ihnen dann, wie es
weitergeht.«
Wie sich in der Folge rasch herausstellte,
handelte es sich bei dem Priester um Monsignore Vanderkücken, dem engsten
Vertrauten von Kardinal Essenbach. Ja genau, dem Essenbach. Der Mann aus dem Fernen
Osten kam aus Shanghai und vertrat die Interessen der ›Trimar Reederei‹, wie
Palinski später erfuhr, ein Tarnunternehmen der mächtigen Shumani-Familie. Sein
Name war Wong Fu Tse, und er war in etwa das, was man bei der Mafia einen
Consigliere nennen würde.
Am ›Cobenzl‹ angelangt, dirigierte Palinski den Wagen in eine
Ecke weit weg vom Restaurant. »Ich habe genau 15 Minuten Zeit«, er blickte
auf seine Uhr. »Dann habe ich ein wichtiges Treffen da drüben im Grill.« Er
deutete auf den beleuchteten Eingangsbereich des Restaurants. »Also, worum geht
es?«
»Befindet sich das kleine schwarze Notizbuch von diesem Herrn
Bastinger bereits in Ihrem Besitz?«, wollte Vanderkücken wissen.
»Ich habe bereits Gelegenheit gehabt, kurz einen Blick in
dieses begehrte Büchlein zu werfen«, antwortete Palinski diplomatisch. »Ich
verstehe nur nicht, an welchem der darin befindlichen Inhalte Sie eigentlich
interessiert sind: Können Sie mir das sagen?«
»Ich glaube, nicht zu viel zu verraten«, räumte der
Monsignore ein, »wenn ich sage, dass es uns gar nicht um den Inhalt selbst
geht, sondern nur darum, dass es nicht in falsche Hände gerät. Sicher können
wir da nur sein, wenn wir das Büchlein selbst in die Hand bekommen.«
Das war ja hochinteressant. Palinski verstand es zwar nicht,
er spürte aber den Ansatz einer Lösung des Problems am Ende des Tunnels
aufblitzen. »Und wie sieht es mit Ihrem Interesse aus, Mister Wong?«, wollte er
von dem zweiten Mann wissen.
»Unsere Interessen liegen genau so wie die des Vatikans«,
bestätigte der Asiate lapidar.
»Das ist gut«, bestätigte Palinski, »denn anders könnte es
große Probleme geben. Ich werde Sie bei Gelegenheit genau darüber informieren.
Inzwischen müssen Sie mir schon etwas vertrauen.« Er blickte Vanderkücken und
Wong Fu Tse fragend an. »Ich habe doch hoffentlich Ihr Vertrauen?«
»Wenn wir Bajazzo nicht vertrauen können, wem sollten wir
dann vertrauen?«, äußerte der Monsignore etwas kryptisch, und der Chinese
nickte
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