Pastetenlust
Gemüt bohrte, beherrschten die Amerikanismen mit events crossover,
cool und all den anderen Ausdrücken des Newspeach die Umgangssprache
immer mehr. Von dem sogar vor älteren Semestern nicht Halt machenden und sich
wie die Karnickel in Australien vermehrenden ›Cool‹ ganz zu schweigen. Leider
alles zu Lasten des auch so schon im Schwinden begriffenen Charmes der österreichischen
Variante der gemeinsamen Hochsprache.
Palinski rief sich zur Ordnung. Seine gedanklichen
Exkursionen in für Außenstehende überwiegend kurios anmutende Regionen machten
ihm Spaß, setzten aber ausreichend Zeit voraus. Die er jetzt nicht hatte.
Er setzte sich ans Telefon
und wählte Wallners Büronummer. Unter der meldete sich nach längerer Wartezeit
allerdings nur der Journaldienst. Der folgende Versuch am Handy war
erfolgreicher. Er erreichte den Inspektor in seinem Wagen auf dem Weg ins
Grandhotel. „Ich treffe mich da mit der Witwe. Willst du nicht dazukommen?”
Palinski blickte auf seine Uhr. Es war bereits kurz nach
zwanzig Uhr und er hatte noch einiges für seine morgige Reise vorzubereiten.
Was solls, dachte er sich, wenn er schon einmal an einem Fall von Anfang an
dabei war, wollte er auch das gesamte Repertoire mitbekommen. „Gut, ich bin
gegen 21 Uhr da.” Ausschlafen konnte er schließlich auch nächste Woche.
*
Trotz der
fortgeschrittenen Stunde saß die 26-Jährige Kriminalbeamtin Franca Aigner noch
in ihrem Büro in der Polizeidirektion in Salzburg und grübelte. Ihr Ehrgeiz war
diametral zu ihrem schmalen Einkommen und da niemand auf sie wartete, arbeitete
sie eben noch. Der Fall war interessant und sie sparte noch Geld dabei.
Wie ihre Recherchen während
des Tages ergeben hatten, war der Tod der Pensionistin Leopoldine Mras einem
besonders tragischem Zufall zu verdanken. Eine Mitarbeiterin des Supermarktes
hatte beobachtet, dass die alte Dame die tödlichen Süßigkeiten gar nicht
gekauft, sondern von einer jüngeren Frau geschenkt bekommen hatte. „Die
schwarzhaarige Dame hat der alten Frau einfach eine Packung gegeben und gesagt:
„Sie mögen doch sicher so etwas”, erinnerte sie sich.”Die hat sich sehr gefreut
und etwas wie „Die heutige Jugend ist ja doch besser als ihr Ruf” gemurmelt.
Sechzig Minuten später war sie mausetot.
War der Tod der alten Frau besonders tragisch, so war der des
zweiten Todesopfers, das die BIGENI-Erpresser zu verantworten hatten, viel
mysteriöser als es zunächst ausgesehen hatte.
Martina Tessler-Brunhof hatte gegen 7.45 Uhr den Markt
verlassen und war nach Aussagen eines Zeugen, Richtung Autobahn gefahren. Gegen
9.20 Uhr war sie in der Paris-Lodron-Straße in Salzburg dem künstlich
ausgelösten Herzanfall erlegen. Dabei war es zu einem spektakulären Autounfall
mit zwei verletzten Kindern gekommen. Die beiden Mädchen befanden sich
zwischenzeitlich erfreulicherweise schon wieder auf dem Weg der Besserung. Der
Tachometer des schwer beschädigten Pkws wies zum Unfallzeitpunkt einen Stand
von 32 816 Kilometern aus. Im Handschuhfach des Wagens hatte Aigner die
Rechnung über ein am Vortag durchgeführten Service gefunden. Das er bei einem
Kilometerstand von 32 133 durchgeführt worden war. Der Wagen war gegen 16 Uhr
aus der Werkstatt abgeholt worden.
Aigner fragte sich nun, wo Frau Tessler in der letzten Nacht
ihres Lebens denn gewesen sein mochte. Bis zu 340 Kilometer entfernt von der
Stadt Salzburg. Sie hätte in Stuttgart sein können, ebenso in Prag, Bregenz
oder Eisenstadt. Oder irgendwo in Norditalien. Weder die Familienangehörigen,
noch der Freund der jungen Frau konnten bisher etwas zur Klärung dieser Frage
beitragen.
Wahrscheinlich war das für die weiteren Ermittlungen ohnehin
nicht relevant, aber Aigner hasste offene Fragen, auch wenn sie noch so
unwichtig schienen.
Seufzend schlug sie den Aktendeckel zu, sicherte und schloss
die Datei, dann drückte sie den Powerknopf am Monitor. Es war kurz vor neun und
sie beschloss, ihr knappes Privatbudget doch etwas zu belasten und sich am
Heimweg noch ein Glas Prosecco zu genehmigen. Vielleicht auch zwei.
*
Die zierliche, knapp 1,65 große Sophie
Lettenberg hatte ein angeborenes Talent dafür, sich in der Öffentlichkeit so in
Szene zu setzen, dass alle Personen in ihrem Umfeld klein aussahen. Selbst der
unvermeidlich anwesende Aufpasser des Bundeskriminalamts. Palinskis Freund
Schneckenburger, mit knapp 1,90 m und rund zwei Zentnern
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