Pastetenlust
Dazu kam
noch, dass ihr der Mann in seiner legeren, unkonventionellen Art irgendwie
gefiel. Offenbar war er keiner von diesen Softies, die sie sonst umschwirrten
wie die Motten das Licht. Eher so, wie Jürgen am Anfang gewesen war.
Unkonventionell und cool eben.
Langsam streckte sie ihren rechten Arm aus, machte die Hand
zur Faust und streckte den Daumen zur Seite. Diese Stellung behielt sie einige
Sekunden lang bei, dann drehte sie den Arm ganz langsam so, dass der Daumen
schließlich nach oben zeigte.
Palinski, dem die Komödie zunehmend Spaß machte, sank vor der
Witwe in die Knie und dankte wortreich für die Begnadigung. Die lachte und
funkelte ihn vielsagend an. Schneckenburger wurde die ganze Situation langsam
unangenehm und Wallner dachte dankbar bei sich, dass seltene Sternstunden wie
diese die Nachteile seines Berufes allemal wettmachten. Es war Frau Brunhof,
die die kleine Runde wieder zum Thema zurückführte, indem sie bemerkte:
„Ich glaube, Jürgen hätte diese kleine Vorstellung sehr
genossen.”
Von da an verlief das Gespräch im Wesentlichen sachlich.
Sophie Lettenberg konnte den Beamten und Palinski nichts erzählen, was die Drei
nicht schon gewusst hätten. Ihr war auch bewusst, dass die 1,5 Millionen Euro
Versicherungssumme ein ausreichendes Motiv darstellten. Vor allem vor dem
Hintergrund der Gerüchte, die ihre aktuelle Beziehung mit Jürgen betrafen. Aber
davon habe sie erst jetzt erfahren.
„Ich war die ganze Zeit im Sanatorium, das wird man Ihnen
bestätigen.” Wallner nickte zustimmend. Die Salzburger Kollegen hatten die
Angaben der Witwe bereits überprüft, das Alibi war allem Anschein nach nicht zu
erschüttern.
Sophie Lettenberg würde noch mehrere Tage in Wien bleiben, um
die notwendigen Veranlassungen zu treffen. „Jürgen wollte immer verbrannt
werden”, stellte sie fest. „Der Gedanke, langsam vor sich hinzufaulen war ihm
schrecklich zuwider.” Sie habe vor, den Leichnam in Wien einäschern zu lassen.
Die Urne würde dann im malerischen Friedhof in Eugendorf beigesetzt werden.
„So leid es mir auch tut”, meldete
sich Schneckenburger zu Wort, „ich muss Ihnen aber sagen, dass es einige Zeit
dauern kann, bis der Leichnam freigegeben wird. Wahrscheinlich kaum vor Anfang
kommender Woche.” Hoffentlich, dachte er bei sich, sonst zieht mir der Minister
noch die Kosten für diesen sündteuren Rotwein vom Gehalt ab.
Damit war das Gespräch beendet. Die Witwe wollte die Herren
noch zu einem Good Night Cup in die Bar einladen. Da den Herren aber noch nicht
nach Gute Nacht zu Mute war, lehnten sie dankend ab.
„Falls Sie noch Fragen haben, können Sie jederzeit auf mich
zukommen”, flüsterte Sophie Palinski zu, „Ich bin in Zimmer 605.”
„Die Witwe hat ja schamlos mit dir geflirtet”, stellte
Wallner fest, nachdem die beiden Frauen gegangen waren.
„Jaaa”, bestätigte Palinski die Beobachtung des Freundes.
„Jetzt müssen wir nur noch eine fesche Verdächtige für Miki finden.”
*
Schneckenburger drängte es nach Hause. Seine
zweite Frau war im fünften Monat schwanger und fühlte sich besser, wenn ihr
Michael zu Hause war.
Es war bereits kurz vor halb zwölf. Wallner und Palinski
saßen bei einem kleinen Heurigen in Nussdorf, um ihren Informationsstand
abzugleichen.
Wallner war nicht sehr
glücklich über Palinskis morgige Reise nach Frankfurt. „Muss das unbedingt
sein?”, regte er sich auf. „Du weißt, dass wir wegen der blöden Ministerwette
noch stärker unter Druck sind als ohnehin schon.”
„Mein lieber Freund, da geht es möglicherweise um meine
finanzielle Absicherung für die Zukunft.” Palinski lachte sarkastisch. „Von
dem, was ihr mir bezahlt, kann ich nämlich nicht leben.”
„O.k., o.k.”, der Inspektor sah das schon ein, aber trotzdem
war er nicht glücklich darüber. „Wann wirst du zurück sein?”
„Falls nichts dazwischen kommt, wahrscheinlich noch morgen
Abend, spätestens übermorgen mittags. Kommt darauf an, was sich aus den
Besuchen mit Lettenbergs Vater ergeben wird.” Er berichtete Wallner von dem
Gespräch mit dem alten Herrn.
Der schüttelte skeptisch den Kopf, schien sich nicht sehr
viel von Palinskis Initiativen zu erwarten. Na gut, man würde sehen. Jetzt war
es an Wallner zu berichten.
Die Suche nach dem unbekannten Mann aus dem ›Mama Maria‹ lief
auf Hochtouren, war aber bisher ohne Erfolg geblieben. Allerdings hatten
Wallners Kollegen erst
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